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Berliner Platte. Bei Dr. Pong in Prenzlauer Berg wird meistens „Rundlauf“ gespielt. Wer ausscheidet, muss am Rand warten, bis der Sieger feststeht. Manche Spieler dort nehmen das alles ziemlich ernst und bringen ihre eigenen Vereinsschläger mit, um einen Vorteil gegenüber den anderen zu haben. Foto: Gregor Hohenberg/laif

© Gregor Hohenberg/laif

Kneipenszene: Paradies für Schlägertypen

Tischtennis in der Kneipe? Unbedingt! Jetzt will ein Hollywood-Star eine weitere Pingpong-Bar eröffnen

Sie hatte es gut gemeint. Neulich auf der Berlinale wollte Susan Sarandon eine frohe Botschaft verkünden: Mit ein bisschen Glück werde sie bald hier in Berlin einen besonderen Laden eröffnen. Einen, in dem man einer ungewöhnlichen Tätigkeit nachgehen könne, die in New York bereits extrem angesagt sei. Tischtennis spielen! In einer Kneipe!

Ein Detail hat sie übersehen: Es gibt bereits Tischtennis- Kneipen in Berlin. Und sie haben eine treue Fangemeinde. Zum Beispiel das „Schmittz“ in der Torstraße in Mitte, nicht weit vom Kaffee Burger. Jeden Abend stehen bis zu 30 Gäste um die Platte, spielen „Rundlauf“ oder wie die Fortgeschrittenen sagen: „Chinesisch“. Das geht so: Ball übers Netz schlagen, auf die andere Seite laufen, in der Schlange anstellen, warten, wieder schlagen, wieder laufen. Wer daneben haut, scheidet aus. Wer am Ende übrig bleibt, ist der Sieger, dann geht alles wieder von vorne los. Manche kommen ins Schmittz für ein, zwei Stunden. Manche spielen bis vier Uhr morgens.

Man braucht wirklich kein Ass zu sein, um hier mitzumachen, sagt Inhaber Tom Hinrichs. Die meisten Gäste sind Laien. Man muss nur abends vorbeikommen, in den Korb auf der Theke greifen, sich einen Schläger nehmen und zu den anderen stellen. Der große Nachteil am Tischtennis in der Kneipe: Ständig rollt der Ball unter einen Tisch oder Stuhl. Der Vorteil: Man kann alleine kommen, lernt automatisch Leute kennen. Das Spiel ist eine Kontaktbörse, sagt Tom Hinrichs.

Auch in Friedrichshain, Prenzlauer Berg und Kreuzberg wird bereits Kneipen-Tischtennis gespielt. Trotzdem will Susan Sarandon an ihrem Plan festhalten. Sie hat sich verschiedene Räume angeschaut, verhandelt über einen Vertrag. Angeblich würde sie gerne in die Kulturbrauerei einziehen, dort bietet aber schon das „Nbi“ Tischtennis an. In New York betreibt Sarandon bereits einen Club, sehr futuristisch sieht der aus, die Bälle sind orange, alle Platten werden violett angestrahlt. Die Schauspielerin sagt, ihr gefalle vor allem die Idee hinter dieser Sportart. Welche genau? Na, dass jeder sie ausüben könne und dass sie großen Spaß mache! Aha.

Bei „Dr. Pong“ in Prenzlauer Berg hat man sich deutlich mehr Gedanken über Sinn und Vorzüge von Tischtennis gemacht. Vielleicht zu viele. Die Kneipe an der Eberswalder Straße lädt jeden Abend zum Rundlauf in einem ansonsten kahlen Raum, der Betreiber hat seine Motivation in einem Manifest zusammengetragen. Wichtige Eckpunkte: das Verschwimmen der Grenzen zwischen Sport und Partymachen. Die Verbesserung der Augen-Hand-Koordination. Nicht zu vergessen die „vorapokalyptische Betriebsamkeit“. Was genau er damit meint, bleibt geheim.

Wer einen Abend im „Dr. Pong“ verbringt, dem fällt schnell auf: Hier spielen nicht nur Anfänger, sondern auch verbissene Könner, die in ihrer Kindheit vermutlich Jahre im Verein verbracht haben. Und deren Ehrgeiz so groß ist, dass sie selbst offensichtliche Laien ohne Mitleid von der Platte dreschen. Dennoch gilt Dr. Pong als beliebtester Anlaufpunkt für Berlins Kneipenspieler. Auch für Touristen. Im Internet schwärmen ehemalige Berlin-Besucher von ihrem Abend in der Bar. Ein Mann aus Cambridge schreibt, der Ort sei sehr „Berlin-esque“, nämlich preiswert und angenehm. Ein Australier spricht gar vom Höhepunkt seiner Reise.

Wäre er mal zu „Madame Claude“ in die Lübbener Straße gegangen. Dort gerät das Tischtennis-Spiel zum kleinen Abenteuer. Denn bevor man loslegen kann, muss man erst in den Keller hinabsteigen und dann durch einen Flur und anschließend noch einmal ein paar Stufen runter. Bei Madame Claude gibt es alle Möbel doppelt, sie hängen umgedreht an der Decke. Es kann einem schwindelig werden. Nur die Platte steht richtig herum, und wer bei der Kellnerin ein Pfand hinterlegt, kann sich Schläger ausleihen. Im Schmittz in der Torstraße wird auf Pfand grundsätzlich verzichtet. Ihre Schläger seien einfach zu alt und billig, als dass sich Diebstahl lohnen würde, sagt der Inhaber. Zum Draufhauen und Spaßhaben reicht es allemal.

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