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Berlin: Koalitionsverhandlungen: Ampelpartner steuern von einer Krise in die nächste

Die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, FDP und Grünen könnten am Streit über die Haushaltspolitik scheitern. Die FDP lehnt eine höheren Grundsteuer und die Einführung einer Getränke- und Motorbootsteuer ab.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, FDP und Grünen könnten am Streit über die Haushaltspolitik scheitern. Die FDP lehnt eine höheren Grundsteuer und die Einführung einer Getränke- und Motorbootsteuer ab. Die SPD wiederum ist nicht bereit, das gesamte Landesvermögen auf den Prüfstand zu stellen, um soviel wie möglich zu privatisieren. Die Finanzplanung der Sozialdemokraten und der Grünen klaffen weit auseinander. Während die SPD glaubt, die Nettoneuverschuldung bis 2009 - ohne Sanierungshilfen des Bundes - auf Null verringern zu können, rechnen Haushaltsexperten der Grünen auch in den nächsten acht Jahren mit einem jährlichen Finanzloch von zehn Milliarden Mark. Trotz aller Sparbemühungen.

In der Nacht zum Montag schlug die anfänglich gute Verhandlungsatmosphäre um, als das Thema "Finanzen" aufgerufen wurde. "Sie glauben ja nicht, wie es da zuging", stöhnte einer der Teilnehmer. Ein anderer sagte, die Finanzverhandlungen seien "jenseits von Gut und Böse" gewesen. Um drei Uhr früh vertagten sich die Chef-Unterhändler, vier von jeder Partei. Die Streitpunkte wurden gezählt: es waren 56. Alle drei Parteien verpflichteten sich, bis Montagabend möglichst viele eigene Forderungen freiwillig zurückzunehmen. Dann wurde weiterverhandelt. Bis Redaktionsschluss lagen keine Ergebnisse vor.

Einig ist man sich schon seit Tagen, dass die Gewerbesteuer nicht erhöht wird. Die Sozialdemokraten brachten stattdessen eine Erhöhung der Grundsteuer (von 600 auf 660 Prozent) und eine Steuer auf alkoholische Getränke ins Spiel, soweit sie in Gaststätten ausgeschenkt werden. Beide Abgaben sollen zusätzlich 100 Millionen Euro in die Landeskasse spülen. Die Grünen forderten außerdem eine Steuer auf Motorboote, die eine Million Euro jährlich einbringen soll. Die FDP lehnte diese Vorschläge ab und konnte sich auch nicht mit der Forderung anfreunden, bei der Wirtschaftsförderung Geld einzusparen.

Auf die Privatisierung von Messeaktivitäten konnten sich die Ampelparteien einigen. Die Verkehrsbetriebe sollen gedrängt werden, ihre Sanierungspläne einzuhalten. Streit gab es, als die FDP eine "vorbehaltlose, ergebnissoffene Überprüfung" sämtlicher Vermögensbeteiligungen Berlins forderte. Die SPD beharrt aber auf einer beschränkten "Verkaufsliste", um nicht durch ständige Privatisierungsgerüchte Unruhe in die landeseigenen Unternehmen und Einrichtungen zu bringen. Die Verringerung der Sachkosten wurde in den Koalitionsgesprächen bisher nur andiskutiert. Ob die Verhandlungen kurzfristig erfolgreich abgeschlossen werden können, blieb gestern offen.

Politische Bezirksämter ab 2006

Einig waren sich SPD, FDP und Grüne, dass mit Unterstützung der PDS die Landesverfassung geändert werden soll, um "politische Bezirksämter" zu ermöglichen. Das heißt, ab der nächsten Wahlperiode werden nicht nur die Bürgermeister, sondern auch die Stadträte von Koalitionsmehrheiten in den Bezirksverordnetenversammlungen gewählt. Die Bezirksämter werden also nicht mehr nach dem Stärkeverhältnis (Proporz) zwischen den Parteien besetzt. Glciehzeitig sollen die Bezirksämter (von jetzt sechs) auf vier oder fünf Mitglieder verkleinert werden. Die SPD schloss sich nach anfänglichem Zögern dieser Forderung von FDP und Grünen an.

Die Ampelparteien streben außerdem eine Fusion von Berlin und Brandenburg 2009 an. Der Staatsvertrag über die Vereinigung der Rundfunkanstalten SFB und ORB solle 2002 in beiden Landesparlamenten beraten und beschlossen werden. Verständigen konnte man sich auch auf Verhandlungen mit der Bundesregierung über einen Berlin-Pakt, um haupstadt- und teilungsbedingte Lasten künftig auf den Bund abzuwälzen. Es geht um ein Finanzvolumen von etwa drei Milliarden Mark jährlich. Verständigen konnten sich die drei Parteien auch auf eine Bundesratsinitiative zur Ausdehnung der Ladenschlusszeiten: werktags von 8 bis 22 Uhr; am Sonntag sollen die Läden geschlossen bleiben. Weitere Konsenspunkte: Die Ausdehnung der Parkraumbewirtschaftung und die Bewerbung um das Medienzentrum für die Fußball-WM 2006.

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