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Berlin: Koalitionsverhandlungen: Rätselhaft: Die Grünen nach ihrer Auszeit: Wer hat eigentlich das Sagen?

Als die Grünen am Sonntag nach der Aussetzung der Koalitionsgespräche wieder an den Verhandlungstisch zurückkehrten, hatten sie fast beide Hände voller Schwarzer Peter. Die sechs Punkte, die am Samstag noch als nicht verhandelbar gegolten hatten, waren plötzlich nur noch Dissenspunkte, also wieder verhandelbar.

Von Sabine Beikler

Als die Grünen am Sonntag nach der Aussetzung der Koalitionsgespräche wieder an den Verhandlungstisch zurückkehrten, hatten sie fast beide Hände voller Schwarzer Peter. Die sechs Punkte, die am Samstag noch als nicht verhandelbar gegolten hatten, waren plötzlich nur noch Dissenspunkte, also wieder verhandelbar. Aus SPD-Kreisen hörte man zudem, dass dieses grüne Manöver relativ überflüssig war: Bei fünf Punkten hätten ihnen die Sozialdemokraten ihre Unterstützung angeboten. Lediglich in der Frage um die Bewerbung Berlins für die Olympischen Spiele scheiden sich die rot-grünen Geister. Was trieb die Grünen also erst weg vom Verhandlungstisch, um dann wieder an ihn zurückzukehren? Wie sieht die Verhandlungsführung bei den Grünen aus?

Die Grünen-Verhandlungsgruppe besteht aus zehn Personen, die sich untereinander nicht so grün sind, wie man es bei Unterhändlern zur Bildung einer Koalition annehmen dürfte. Ist man schon aus ideologischen Gründen wegen der FDP mit Bauchschmerzen in die Verhandlungen gegangen, macht ein Teil der Grünen-Verhandlungsgruppe aus seiner Abneigung gegen ein grün-gelbes Regierungsbündnis überhaupt keinen Hehl. Lieber keine Ampel als eine schlechte Ampel, heißt es. Und Punkte in einer langen Liste zu finden, die nicht zu einem Grünen-Konzept passen, ist nun nicht besonders schwer.

Den Grünen wird vorgeworfen, keine Führung zu haben. Das stimmt auch die Basis nachdenklich. Ein Teil der Parteifreunde sagt klar, dass der eigentliche Kern der Grünen-Verhandlungsgruppe, die aus Wolfgang Wieland, Sibyll Klotz, Regina Michalik und Till Heyer-Stuffer besteht, dann auch führen und die "zweite Reihe" schon mal deutlich zur Mäßigung aufrufen soll. Andere Grüne finden genau die "basisdemokratische Ausrichtung" der Gesprächslinie richtig. SPD und FDP hätten als "kaderorientierte Parteien" damit ein Problem, wenn die Grünen auch bei den Verhandlungen "ein Stück weit innerparteilich gelebte Demokratie" zeigen.

Das, was die Grünen am Wochenende praktiziert haben, verstehen viele Basis-Leute nicht mehr. Nach außen könne man das Signal als Schwäche auslegen, heißt es. Und ein Formelkompromiss, die sechs Punkte wieder auf die Dissensliste zu setzen, sei auch kein akzeptabler Kompromiss. Zynisch sprach ein Parteimitglied von einer "taktischen Meisterleistung". Ein anderer sagte dazu "Tollpatschigkeit". Kein politisch erfahrener Grüner glaubt jedoch, dass die Verhandlungsgruppe mit dem Aussetzen der Gespräche ein Signal an die Basis senden wollte, die Verhandlungen eventuell abzubrechen. Die Landesdelegierten haben dieser Kommission den Auftrag gegeben, in den Gesprächen sorgfältig auszuloten, wie weit grüne Kernkompetenzen in eine Regierungspolitik mit einfließen könnten.

An ein Ausstiegsszenario dachte die Grünen-Verhandlungsgruppe am Wochenende wohl nicht, sondern laborierte eher daran, wie sie die schon geschluckten Kröten gut verdauen kann: indem man auch mal auf die Pauke haut und sagt, wo die Grenzen sind. Am Wochenende will die Verhandlungsgruppe ihren Landesdelegierten den Koalitionsvertrag zur Abstimmung vorlegen. Sofern bis dahin die Gespräche nicht gescheitert sind.

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