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Berlin: Köhlers Mission

Der Bundespräsident und seine Ehefrau besuchten Aidskranke in Kreuzberger Wohnprojekt

„Psst!“, raunt es durch den Raum, als das Ehepaar Köhler mit fast einer halben Stunde Verspätung anreist. „Sie kommen!“ Fotohandys werden gezückt, Kameras blitzen für Erinnerungsfotos auf. Eva Luise Köhler im hellbraunen Jacket bleibt im Hintergrund, während ihr Mann zuerst das Buffet begutachtet. „Kalbsbraten – nicht schlecht!“, sagt er.

Zum Essen war Bundespräsident Horst Köhler allerdings nicht gekommen. Mit seinem Besuch beim betreuten Wohnprojekt „ZiK“ für HIV- und Aids-Kranke wollte er ein Zeichen setzen. „Ich möchte Ihnen vermitteln, dass Sie nicht am Rand der Gesellschaft stehen“, sagtKöhler. „Nach meinen Vorstellungen soll jeder in unserer Gesellschaft ein Zuhause haben.“ Vor allem aber wollte er sich persönlich davon überzeugen, wofür die Erlöse der 11. Festlichen Operngala der Deutschen Aids-Stiftung verwendet wurden. Köhler war Schirmherr der Benefizveranstaltung, die vergangenen Samstag in der Deutschen Oper stattfand. Die Spenden in Höhe von 400000 Euro gingen komplett an das Projekt „Zuhause im Kiez“ (ZiK). Köhlers Ehefrau Eva Luise engagiert sich seit kurzem im Kuratorium der Deutschen Aids-Stiftung.

Unter den 50 Gästen war auch Frank Berger. Er lebt seit vier Jahren im ZiK in der Reichenberger Straße. „Hier muss ich mich nicht verstellen“, sagt der 39-Jährige. „Keiner zeigt mit dem Finger auf mich, weil wir alle dasselbe Problem haben.“ Er fühle sich wie in einer großen Familie, sagt er über das Leben in der Wohngemeinschaft. Außerhalb des Hauses sei die Akzeptanz als Aidskranker allerdings immer noch gering. Viele Menschen hätten Berührungsängste. „Daran wird auch der Besuch des Bundespräsidenten nichts ändern“, ist sich Berger sicher. Ein einmaliger Besuch könne wenig in der Öffentlichkeit bewirken.

Da gibt sich die Leiterin des Hauses, Doris Steimaris, optimistischer. „Das ist eine große Ehre für uns“, sagt sie. Ihr Projekt gilt wegen seiner Größe und seines vielfältigen Hilfsangebotes als einzigartig in der Bundesrepublik. Zurzeit wohnen hier 23 kranke Menschen. Sie werden psychosozial betreut und erhalten bei Bedarf Unterstützung vom Pflegedienst. Seit der Eröffnung 1999 lebten hier 73 Menschen.

Von Köhlers Besuch erhofft sich Steimaris vor allem Aufklärung der jüngeren Generation. Denn nach Angaben des Robert-Koch-Instituts infizieren sich vermehrt junge Heterosexuelle mit dem HI-Virus. Allein in Berlin gibt es demnach 900 an Aids erkrankte Menschen. „Sie werden in der Gesellschaft immer noch stark stigmatisiert“, sagt auch Steimaris. Dagegen will Bundespräsident Köhler eintreten. „HIV-Kranke haben es schwer genug“, sagt er. „Sie sollen aber wissen, dass sie keine Außenseiter sind, die wir vergessen.“ Deswegen sprach er nach dem offiziellen Termin noch mit einigen ZiK-Bewohnern im Dachgeschoss des Hauses. Die Medien durften an diesem Treffen nicht teilnehmen. Köhler wollte sich in Ruhe unterhalten können.

Aliki Nassoufis

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