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Berlin: Köpenicker Synagoge: Von dem jüdischen Gotteshaus blieb nur der Umriss an der Brandmauer

Mit dem Kaddisch, dem jüdischen Gebet, leitet Richard Posner ein ungewöhnliches Picknick auf dem Gelände der früheren Synagoge in Köpenick ein. Am Ende des 9.

Mit dem Kaddisch, dem jüdischen Gebet, leitet Richard Posner ein ungewöhnliches Picknick auf dem Gelände der früheren Synagoge in Köpenick ein. Am Ende des 9. Tags des Monats Aw gedenkt man im Judentum der Zerstörung des Zweiten Tempels in Jerusalem und der Shoah mit dem Fastenbrechen. Zum Pot-Luck-Dinner am Donnerstagabend brachten seine geladenen Gäste Töpfe und Schüsseln ihrer Lieblingsspeisen mit. Der Fulbright-Stipendiat Posner beteiligt sich an einer Kunstaktion des Kulturamtes. Im Rahmen des "StadtKunstprojekt" begann er im Mai dieses Jahres, das Gelände in der Straße Freiheit 8 von Schutt zu räumen und eine provokante Installation aufzubauen.

Vor sieben Jahren hatte der amerikanische Gartenbauprofessor und Landart-Künstler mit der Swastika, dem indischen Symbol des Lebens, und dem Hakenkreuz, der von den Nazis pervertierten Variante des Fruchtbarkeitsymbols, experimentiert. Durch Zufall entstand dabei ein neues Symbol, das in der Mitte einen Davidstern ergab. In Köpenick ließ Posner es aus Glasscherben wiedererstehen. Zerbrochene Fensterscheiben sollen an die Pogromnacht vom 9. November 1938 erinnern. "Es ist sehr assoziativ", komentiert Eva Nickel von der jüdischen Gemeinde.

Auf dem Kompost unter den Glasscherben wächst ein von der Ärztin Christine Hoffmann angelegter Kräutergarten. "Für jedes Körperteil das passende Kraut," sagt die Spezialistin für chinesische Medizin. In der Ecke des Grundstücks sind die Namen der über 300 deportierten Köpenicker Juden zu finden. Rechts daneben sieht man die Brandmauer mit den Umrissen des 1910 erbauten Gotteshauses. Über dem Eingang, der zum Brachgelände führt, prangt die Originalinschrift in hebräischen Lettern: "Das Tor des Himmels." Angelockt von den Aktivitäten auf dem Gelände, betreten Passanten den eigenartigen Kräutergarten. Man kommt ins Gesprächen, trägt sich ins Gästebuch ein. Zwei ältere Frauen erzählen, dass sie als Kinder die brennende Synagoge gesehen haben. Ein Gartenbaustudent, der als Helfer bei den Vorbereitungen tätig war, gestand dem Künstler, dass ihn Rechtsradikale überreden wollten, die Arbeit zu zerstören.

Mit dem temporären Wider-Haken-Kräuter-Garten bringt Posner die Menschen zum Reden über das Unsagbare. Doch der Gartenbauprofessor erhält nicht nur Zuspruch. Etliche Mitglieder der jüdischen Gemeinde halten es für problematisch, auf dem Synagogengelände mit belasteten Symbolen zu hantieren. Doch zum Gedenken bei Musik und flackernden Kerzenlichtern kommt auch der Enkel der Köpenickerin Geraldine Pless, die deportiert und ermordet wurde.

Ende August muss Richard Posner den Kräutergarten räumen. Viele Köpenicker sähen es gern, wenn das Mahnmal erhalten bleibe. Horst Greulich, der Pastor der Reformierten Gemeinde, sagt beispielsweise: "Insbesondere die christlichen Gemeinden haben ein Interesse daran, dass die Geschichte der Juden in Köpenick dokumentiert wird." Doch vor anderthalb Jahren wurde das Gelände von der Jewish Claims Conference verkauft. Ein Geschäftsmann will hier ein Haus bauen.

Frank Scheerer

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