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Berlin: Komm’ in meine Jurte

Im „Berliner Wintersalon“ lesen Autoren am Potsdamer Platz ihre Werke vor – in Nomaden-Zelten aus der Mongolei.

Es ist warm hinter der niedrigen, bunt bemalten Tür, zwei Lampen verbreiten schummriges Licht zwischen den blauen Wänden. Die warme, dunkle Stimme von Mirjam Pressler passt gut hier hin. Die Schriftstellerin sitzt an einem kleinen Tisch, umringt von rund 30 Jugendlichen. Auf Hockern und Kissen sind sie dicht aneinander gedrängt – es ist nicht viel Platz in den drei mongolischen Zelten, die inmitten der Glas- und Stahlwelt des Sony-Centers stehen.

Mirjam Pressler ist eine der 30 Autoren, die beim dritten „Berliner Wintersalon“ in den Jurten, wie die Zelte heißen, aus ihren Werken lesen. Die Idee für das ungewöhnliche Literaturfestival hatte Ingmar Hendrix von der Veranstaltungsagentur, die den Wintersalon organisiert. Seinen Sommerurlaub hatte er in der Mongolei verbracht und sich nach einer Nacht in einer Jurte für die gemütliche Unterkunft begeistert. Kurze Zeit später brachte die transsibirische Eisenbahn drei der Zelte, die eigens für den Wintersalon hergestellt waren, aus Ulan Bator nach Berlin. Zweimal wurden sie seitdem für den Wintersalon aufgestellt – und die Zuschauer zog es scharenweise in die Zelte, 3500 waren es im vergangenen Jahr. Auch gestern waren die Jurten wieder proppenvoll.

Neben Autoren wie Michael Lentz und Claudia Rusch gehören dieses Jahr auch Harald Martenstein und Stephan Lebert vom Tagesspiegel zu den geladenen Autoren. Am heutigen Freitagvormittag richtet sich das Programm noch speziell an Kita- und Schulklassen. Danach aber gibt es Lesungen für alle Alterstufen, sagt Britta Gansebohm, die für das Programm verantwortlich ist. Es ist ihr wichtig, Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen anzusprechen. Das Thema „Familienbande“, mit dem sich alle Werke auf die ein oder andere Weise beschäftigen, hat Gansebohm aber nicht nur deshalb als Motto für das Festival gewählt. „Deutschsprachige Autoren setzen sich in den letzten Jahren wieder stärker mit dieser Thematik auseinander“, sagt sie. „Es heißt nicht mehr nur: ich, ich, ich. Überall ist Krise: Man hat Angst vor Terroranschlägen, es gibt keine Jobs mehr. Da rückt das ,Wir’ wieder mehr in den Vordergrund.“

Noch bis Sonntag lesen die Autoren ihre Geschichten und Gedichte in den Zelten am Potsdamer Platz, in denen der Filz aus gespresster Schafswolle die mollige Wärme festhält und den Lärm von draußen dämpft. Die besten Voraussetzungen, um das Publikum „zu kriegen“ – so nennt es Mirjam Pressler, wenn sich die Gäste beim Zuhören selbst vergessen und ihre Blicke ins Nirgendwo wandern.

Eintritt frei, Anmeldung unter 2575 16 13. Weitere Informationen unter www.sonycenter.de/jurten. Harald Martenstein: Freitag (16 und 18 Uhr), Sonntag (11 Uhr). Stephan Lebert: Sonntag (13 Uhr) .

Anne Seith

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