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Wohnen in Berlin: Schriftzug an einer Hausfassade.

© imago images / Müller-Stauffenberg

Konflikt um Berliner Mietspiegel: Die Deutsche Wohnen gibt nicht nach

Im Kampf um den Berliner Mietspiegel hat der Anwalt der Deutsche Wohnen Rüge beim Landgericht eingereicht. Der Mieterschutzbund spricht von einer perfiden Strategie.

Berlins größter Vermieter will seine Schlappe im Kampf gegen die Gültigkeit des Berliner Mietspiegels nicht hinnehmen und holt zum Gegenschlag aus. Der Anwalt der Deutsche Wohnen hat vor wenigen Tagen eine „Anhörungsrüge“ beim Landgericht eingereicht.

Der Vorwurf: Bei der Erhebung von Daten zur Erstellung des Berliner Mietspiegels 2017 seien „in ihrer Mietpreisgestaltung politisch beeinflusste Wohnungsunternehmen (des Landes; Anm.d.Red.) überrepräsentiert“. Wohnungsdaten aus dem Firmenverbund der Deutschen Wohnen seien dagegen „verringert“ worden.

Der Vorwurf wiegt schwer, wirft er doch die Frage auf: Ist der Mietspiegel ein politisches Instrument, um die Mieten in der Stadt künstlich niedrig zu halten? Ähnlich hatte sich vergangene Woche der Finanzvorstand der Deutschen Wohnen geäußert, die mit einem gewaltigen Gewinn das erste Quartal beendet hatte.

Der operative Gewinn des MDax-Unternehmens stieg wie berichtet in den ersten drei Monaten im Jahresvergleich um 16,5 Prozent auf 144 Millionen Euro. Dazu trugen auch steigende Mieten bei – vor allem in Berlin.

Dennoch kritisierte Deutsche-Wohnen-Finanzchef Philip Grosse, der eben erst erschienene Berliner Mietspiegel 2019 gebe nicht die „realen Marktentwicklungen“ wieder. Der darin verzeichnete Anstieg der Mieten um 2,5 Prozent jährlich sei nicht korrekt, rund zehn Prozent sei eine realistischere Größe – also das Vierfache.

Rendite-Druck als Erklärung für die Mietspiegel-Attacke

Kritiker der Firma erklären die Angriffe mit dem Rendite-Druck, dem Aktiengesellschaften unterworfen sind, sowie den Hoffnungswerten auf künftiges Wachstum, die deren Börsenkurs beeinflussen. Im Fall von Wohnungskonzernen sind Gewinne und Rendite vor allem dann drin, wenn die Mieten regelmäßig erhöht werden können und der Wohnungsmarkt angespannt ist.

Dabei sind Regulierungen wie der Mietspiegel ein Hindernis, das abgeräumt werden muss. Berlins größter Wohnungsverband BBU hatte den Berliner Mietspiegel vergangene Woche zwar erneut in Schutz genommen gegen die Kritik des Vorstands ihres eigenen Vereins-Mitglieds. Der BBU sieht durch die Manöver den sozialen Frieden in Gefahr.

Die Kritik des Deutsche-Wohnen-Rechtsanwalts am Mietspiegel ist grundsätzlicher Art. Vor Gericht erklärte er, die Datenerhebung zum Berliner Mietspiegel sei „nicht repräsentativ“ und auch „nicht nach anerkannten wissenschaftlichen Methoden ausgewertet“ worden.

Der Mietspiegel weise „grobe methodische Fehler auf und genügt daher nicht wissenschaftlichen Grundsätzen“. Qualifiziert sei er schon gar nicht, vielmehr weise er nicht mal die „Indizwirkung“ eines „einfachen“ Mietspiegels auf. Als gerichtsfest gelten allenfalls „qualifizierte“ Mietspiegel.

Die Auswahl der Wohnungen als Problem

Zur Begründung der Kritik führt der Anwalt beispielsweise die Auswahl der Wohnungen im Mietspiegel an. Diese sollte nach dem Zufallsprinzip erfolgen, damit die Stichproben die ortsübliche Miete in der Stadt korrekt abbilden. Doch dies sei beim Mietspiegel nicht der Fall. Bei der „Vermieterbefragung“ seien mehrfach mehrere Mietwerte aus einzelnen Objekten in die Stichprobe eingegangen, was bei dem gewaltigen Angebot von 1,38 Millionen Wohnungen „wider aller Wahrscheinlichkeit‘“ sei.

„Sämtliche von der Deutsche Wohnen in ihrer Gehörsrüge vorgebrachten Argumenten hat der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin bereits als unbegründet zurückgewiesen“, sagte Marcel Eupen vom Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbund.

Der Verein hatte das Urteil gegen die Deutsche Wohnen vor dem Landgericht erstritten, das diese nun attackiert. Eupen sieht in den Attacken eine „perfide Strategie“ um ungerechtfertigte Einkünfte zu erzielen: „Wer die überhöhten Mieten nicht bezahlt, wird vor Gericht gezerrt. Das spricht sich rum und schreckt Mieter ab, ihr gutes Recht durchzusetzen“.

Bei der Deutsche Wohnen hieß es auf Anfrage, der Mietspiegel sei grundsätzlich ein geeignetes Mittel zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Allerdings sei die „Voraussetzung dafür eine Erstellung nach wissenschaftlichen Standards“. Die Firma werde den neuen Mietspiegel 2019 „in den nächsten Monaten eingehend analysieren“.

Großer Anteil der Berliner befürwortet Enteignungen - Unterstützung nimmt aber ab

Das Landgericht Berlin muss die „Anhörungsrüge“ nun prüfen. Weist sie diese zurück, müsste die Deutsche Wohnen vor das Verfassungsgericht des Landes Berlin ziehen – einmal mehr.

Der Immobilienkonzern steht derzeit wegen des aktuell laufenden Volksbegehrens „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ unter besonderer öffentlicher Beobachtung. Vor zehn Tagen ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag des Tagesspiegels, dass zwar immer noch ein großer Anteil der Berliner es richtig findet, „dass es Bestrebungen gibt, Großvermieter gegen Entschädigung zu enteignen“.

Aber die Zahl der Befürworter ist inzwischen deutlich geschrumpft. 46,3 Prozent der befragten Berliner sind demnach für das Volksbegehren, 43,9 Prozent dagegen, 9,8 Prozent unentschieden. (mit dpa)

Anm. d. Red. In einer früheren Ausgabe dieses Beitrag hieß es, der Grund für die Gewinne der Deutschen Wohnen seien die höheren Mieten. Dies ist falsch: Die höheren Mieten sind nur ein Grund für den gestiegenen Gewinn. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

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