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Berlin: Konjunktur für Kirchen: Mehr Zulauf, mehr Geld

Junge Familien beleben die Gemeinden in bürgerlichen Bezirken. Im Umland werden die Gotteshäuser zu klein

Junge bürgerliche Familien entdecken das Konservative neu und wollen ihren Kindern Werte und Traditionen vermitteln. Das beschert nicht nur den konfessionellen Kindergärten und Schulen Zulauf, sondern verhilft auch Kirchengemeinden in den bürgerlichen Bezirken in Berlin und im Umland derzeit zu einem ungeahnten Boom. Immer häufiger kommt es zudem vor, dass sich Familien in ihren Kirchen formal umgemeinden lassen, damit die Kinder zu einem bestimmten Konfirmandenunterricht gehen können. So hat sich herumgesprochen, dass Pfarrer Olaf Trenn von der Grunewaldkirche Jugendliche begeistert. Als er 1999 anfing, hatte er 32 Konfirmanden, dieses Jahr sind es 84. Ein Viertel der Jugendlichen sind nicht getauft. Die Grunewaldkirche ist keine Ausnahme mehr. Nach Berechnungen der evangelischen Landeskirche hat sich der Anteil der Konfirmanden pro Jahrgang in Berlin in den vergangenen fünf Jahren von 12,4 auf 14,4 Prozent erhöht. Im Berliner Umland hat er sich verdoppelt.

Auch die selbstverständliche Religiosität, die Neuberliner aus Westdeutschland mitbringen, trägt vielerorts zur Wiederbelebung von Pfarreien bei. „Die kommen aus München, Hamburg und Köln und wollen sich ehrenamtlich einbringen, das ist für die ganz normal“, sagt eine Pfarrerin. So sind die Kirchenbänke in der Zions-, Sophien- oder Gethsemanegemeinde in Mitte und Prenzlauer Berg beim Familiengottesdienst auch an ganz normalen Sonntagen voll. Das gilt auch für Pfarreien in Lichterfelde, Wilmersdorf und Zehlendorf. Im Berliner Umland, sei es in Frohnau im Norden Berlins, in Falkensee im Westen oder in Kleinmachnow, Großziethen oder Mahlow im Süden, wachsen die Kirchengemeinden so stark, dass neu gebaut wird. Nach jahrelangen Diskussionen um Finanzkrisen, Gemeindefusionen und Kirchenverkäufe fällt die Bilanz für die Kirchen dieses Jahr am Pfingstfest – sozusagen das Gründungsdatum der christlichen Kirche –, positiver aus.

Zumal auch die Kirchen vom Wirtschaftswachstum profitieren und erstmals wieder mehr Kirchensteuern einnehmen als in den Jahren zuvor. 136 Millionen Euro flossen 2006 in die Kasse der evangelischen Landeskirche, die Finanzexperten hatten mit 128 Millionen gerechnet. 2005 waren es 132 Millionen Euro. Auch dieses Jahr erwartet man einen Anstieg, bundesweit rechnet die evangelische Kirche mit Mehreinnahmen um 6,5 Prozent. Auch das Berliner Erzbistum hat 2006 mehr Steuern eingenommen als im Vorjahr. Trotz des aktuellen „Zwischenhochs“ müsse man am Sparkurs festhalten, heißt es in beiden Kirchen.

„Die Landeskirche hat ihre Strukturen ganz auf Abbau eingestellt, wir passen gar nicht ins Bild“, sagt Wolfram Fromke, Pfarrer der evangelischen Heilig-Geist- Gemeinde in Falkensee nahe Spandau. „Wir haben so viele Fremde hier, wir müssen was tun“, habe sich die Gemeinde vor zehn Jahren gesagt und 15 neue Gruppen ins Leben gerufen, die alle Altersstufen von den Kindern bis zu den Senioren ansprechen. Das Konzept ging auf: Die Gemeinde hat sich verdreifacht. Für die 2600 Mitglieder ist die Notkirche aus den 50ern zu klein geworden, im Sommer soll mit dem Neubau begonnen werden. Kinder- und Jugendgruppen stoßen auf großes Interesse bei den Zugezogenen, sagt Fromke. Die Eltern wollten, dass ihren Kindern Werte vermittelt werden, Halt und Stabilität, gerade in der Großstadt. „Das ist eine neue Bewegung, die statistisch noch gar nicht erfasst wird.“ Die evangelische Gemeinde in Mahlow hat sich ebenfalls verdreifacht, auch hier wurde ein neues Gemeindehaus gebaut. Kommendes Schuljahr eröffnet die evangelische Grundschule.

Auch im gehoben bürgerlichen Kleinmachnow ist die Dorfkirche zu klein geworden. Die Pfarrgemeinde ist jährlich um 200 Mitglieder auf jetzt 5000 angewachsen. Die evangelische Gemeinde in Großziethen hat sich verzehnfacht. Im Oktober wurde das neue Gemeindezentrum fertig. 1993 ist das Ehepaar Fuchs aus Wuppertal nach Großziethen gezogen, Margret Fuchs hat sechs Kindergruppen ins Leben gerufen. „Selbstverständlich engagieren wir uns in der Kirche“, sagt sie. „Das macht Spaß, man lernt Leute kennen und die Zuzügler haben einen Anlaufpunkt.“

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