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Berlin: Kontrolleure wollen keine filmenden Zeugen

Angriff auf Kameramann im U-Bahnhof / Private Sicherheitsleute sind oft gnadenloser, als BVG und S-Bahn lieb ist

Fahrscheinkontrolleure in Bahnen und Bussen, denen zunehmend ein rüdes Auftreten vorgeworfen wird, wollen sich offensichtlich nicht filmen lassen, wenn sie einen mutmaßlichen Schwarzfahrer in der Mangel haben. Der freie Fernsehjournalist Anatol Wiecki wurde gestern nach seinen Angaben auf dem U-Bahnhof Rosa-Luxemburg-Platz von Kontrolleuren so angegangen, dass er über Notruf die Polizei rief. Er sei über den Bahnsteig geschleift und dann zu Boden geworfen worden. Wiecki wollte die Auseinandersetzungen der Kontrolleure mit einem mutmaßlichen Schwarzfahrer filmen. Die BVG ist noch dabei, die Vorwürfe zu prüfen. Bereits am Wochenende hatte der Chef der Berlin Tourismus Marketing, Hanns Peter Nerger, mehr Fingerspitzengefühl vor allem gegenüber Touristen aus dem Ausland gefordert.

Alle Mitarbeiter im Kontrolldienst würden vor einem Einsatz geschult, erklärten BVG-Sprecher Wolfgang Göbel und S-Bahn-Sprecher Andreas Fuhrmann gestern übereinstimmend. Ein vereinzeltes Fehlverhalten sei dabei nicht auszuschließen. Die Zahl der Beschwerden habe jedoch nicht zugenommen, sagte Fuhrmann.

Beide Unternehmen gehen in letzter Zeit verstärkt gegen Schwarzfahrer vor. Und beide setzen dafür vor allem private Firmen ein. Deren Mitarbeiter erhielten kein „Kopfgeld“, erklärten die Sprecher der beiden Verkehrsbetriebe wiederum übereinstimmend. Das Unternehmen bekommt allerdings von der BVG eine „Erfolgsprämie“, die sich nach der Zahl der kontrollierten Personen und der dabei festgestellten Schwarzfahrer richtet. Und die Mitarbeiter wissen, dass sie mit möglichst vielen „Feststellungen“ ihren Arbeitsplatz sichern. Deshalb ist die Neigung, in Zweifelsfällen Kulanz zu zeigen, eher gering. Gerade bei so genannten Graufahrern, die nur aus Unkenntnis keinen gültigen Fahrschein vorweisen könnten, sollten die Kontrolleure ein Auge zudrücken, heißt es bei der BVG und der S-Bahn offiziell. Doch die Entscheidung, ob ein „erhöhtes Beförderungsentgelt“ in Höhe von 40 Euro verlangt wird, trifft der „Kontrolletti“ an Ort und Stelle.

Bewusst dürften die Mitarbeiter Fahrgäste nicht in eine Kontrollfalle tappen lassen, sagte Fuhrmann. Nerger hatte einen Fall geschildert, wonach neun Touristen aus Barcelona auf einem Bahnhof in Potsdam dort stehende Kontrolleure nach dem Zug Richtung Berlin gefragt hätten. Die Kontrolleure sollen gesehen haben, dass die Spanier ihre Fahrscheine noch nicht entwertet hatten, ohne die Touristen darauf hinzuweisen. Bei der Überprüfung im Zug hätten die Kontrolleure dann von jedem der Spanier 40 Euro verlangt – macht zusammen 360 Euro. Und das auf einen Schlag.

In solchen Fällen sollten sich die Betroffenen direkt an die Verkehrsunternehmen wenden, sagte Fuhrmann. Dann werde man in begründeten Fällen die Konsequenzen ziehen. Dass Touristen häufig die Tarifbestimmungen nicht kennen, will Fuhrmann so nicht gelten lassen. Tarifinformation gebe es bei den Automaten in sieben Sprachen. Doch häufig scheitern Touristen bereits an Banalem. Während in anderen Städten Fahrscheine, die man aus Automaten zieht, bereits entwertet sind, müssen sie in Berlin erst noch gestempelt werden. Wer darauf nicht achtet, ist schnell ein „Schwarzfahrer“ – wie eine Gruppe von Schülern, die deshalb komplettaus einem Zug geholt worden war.

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