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KONZEPTE FÜR KIEZE IN NOT Was Quartiersmanager leisten können – und was nicht: Große Idee, kleine Schritte

Seit 1999 versuchen Kiezarbeiter, sozial schwierige Viertel zu stabilisieren. Doch die Projekte sind oft nicht mehr als kurzfristige Lückenfüller

Gilles Duhem redet sich schnell in Rage, wenn es um das Quartiersmanagement (QM) geht. „Du wirst nur gegängelt von einer verrückt gewordenen Bürokratie“, kritisiert der frühere Quartiersmanager im Rollbergkiez in Neukölln. Kleine Projektträger, die nicht über viel Erfahrung und Personal verfügten, scheiterten schon bei der Antragstellung. In der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, bei der das QM seit seiner Gründung 1999 angesiedelt ist, rühmt man sich dagegen gerade dafür, die Projektabwicklung in den vergangenen Jahren entbürokratisiert zu haben.

Die Bürokratie ist aber nur ein Streitpunkt von mehreren, bei dem die Einschätzungen zwischen Senatsverwaltung, Bezirken und Kiezarbeitern auseinandergehen. Auch das Auswahlverfahren und die Nachhaltigkeit der Arbeit stehen immer wieder infrage – zuletzt war das vor wenigen Wochen Thema, als der neue Sozialatlas vorgestellt wurde. Dort landeten erneut Viertel auf den hinteren Plätzen, in denen Quartiersmanager seit Jahren aktiv sind, etwa der Soldiner Kiez oder die Reinickendorfer Straße in Wedding. Andere Viertel, etwa in Kreuzberg, haben sich positiv entwickelt.

Von 1999 bis 2006 haben die Europäische Union, der Bund und das Land Berlin 139,5 Millionen Euro ins Quartiersmanagement gesteckt, das Teil des Bundesprogramms „Soziale Stadt“ ist. Damit sollen momentan 33 Gebiete mit überdurchschnittlich vielen Arbeitslosen, Ausländern und einer starken Abwanderung stabilisiert und die Anwohner zu mehr Engagement und Verantwortung für ihr Umfeld gebracht werden. Einige Kieze, etwa der Helmholtzplatz in Prenzlauer Berg, wurden wieder aus dem Programm entlassen, nachdem die Arbeitslosigkeit dort gesunken ist und finanzkräftigere Nachbarn zugezogen sind. Am Helmholtzplatz wurden die früheren Bewohner allerdings durch die steigenden Mieten in den sanierten Häusern verdrängt – eine Art negativer Übererfüllung der Ziele.

Welche Projekt mit jährlich 17,2 Millionen Euro gefördert werden, entscheiden nicht die Verwaltungen im Senat und in den Bezirken, sondern die örtlichen Quartiersräte. In jeden Rat werden, je nach Quartiersgröße, 30 bis 40 Bürger gewählt: zu 49 Prozent einzelne Anwohner, 51 Prozent Vertreter von Anrainerinitiativen. Doch ist die Methode erfolgreich? In Kreuzberg streiten Quartiersräte, Senat und Bezirk darüber, wer die Kontrolle über das Geld ausübt. Ab 2008 ist hier wie auch in Mitte der Bezirk direkt für das Quartiersmanagement zuständig und nicht mehr die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Gilles Duhem bezweifelt außerdem, dass die Anwohner in den Kiezen alles selbst entscheiden wollen. „Die Leute wollen nicht diskutieren“, sagt er und zeigt auf den Saal im Gemeinschaftshaus in der Neuköllner Morusstraße. 90 Bewohner des Rollbergkiezes speisen hier vor Weihnachten Ente mit Rotkohl und Kartoffeln. Die Leute wollten Handfestes vorgesetzt bekommen.

Überprüfbare Zielvorgaben gibt es nicht. „Das Quartiersmanagement existiert erst seit ein paar Jahren. Es ist zu früh, um zu sagen, wie es sich entwickelt“, sagt Hella Dunger Löper (SPD), Staatssekretärin in der Stadtentwicklungsverwaltung und zuständig für das QM. „Es fragt keiner nach, ob das Geld sinnvoll ausgegeben wird“, sagt Marina Wöhrn vom Quartiersrat am Boxhagener Platz. Eine Evaluation findet tatsächlich kaum statt. „Es gibt 3700 Projekte, die im Rahmen von ‚Soziale Stadt‘ gefördert wurden“, sagt Philipp Mühlberg, zuständiger Referatsleiter bei der Stadtentwicklungsverwaltung. „Sie werden keinen finden, der die alle evaluieren kann.“

Dennoch hat die Senatsverwaltung aus den Erfahrungen gelernt. Am Anfang habe man sehr viel Geld in große bauliche Sanierungsmaßnahmen gesteckt. „Wir haben gemerkt, dass es nachhaltiger ist, wenn man kleinteilige Maßnahmen fördert“, sagt Dunger-Löper. Auch liege der Schwerpunkt heute auf der Förderung von Integration und Bildung. Die Projekte bekommen höchstens für drei Jahre Geld. Aber „nach drei Jahren sind die Probleme nicht gelöst“, sagt eine Quartiersmanagerin in Kreuzberg. Manchmal könnten sie nur eine Art Feuerwehr oder Lückenfüller sein. „Von Anfang an ist es Ziel, dass sich die Projekte irgendwann selber tragen“, sagt Staatssekretärin Dunger-Löper.

Zum Weihnachtsessen im Rollbergkiez ist auch Kornelia Petri gekommen. Sie bietet in einer Kita Sprachkurse an. Für den Zeitraum von Februar bis Juli 2008 wurden dafür 10 000 Euro bewilligt, 8000 sollen noch hinzukommen. Weil das QM für 2008 aber nur eine Förderung für ein halbes Jahr vorsieht, müssen die Mittel, die sonst für ein ganzes Jahr zur Verfügung standen, in der Hälfte der Zeit ausgegeben werden. Für den Rest des Jahres gibt es keine Förderung mehr. „So viel zum Thema Nachhaltigkeit“, sagt Petri.

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