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Botschafter der Nacht. „Konzulát“ heißt die neue Location im ehemaligen tschechischen Kulturzentrum in Mitte, die Conny Opper mit Elizabeth Paige betreibt.

© Georg Moritz

"Konzulát" in der Leipziger Straße: Der Club der Diplomaten

Conny Opper ist ein alter Bekannter im Nachtleben der Stadt. Nun will er die Leipziger Straße beleben: mit Club, Bühne, Galerie. Auch, um endlich seine Zeichnung von Pete Doherty zu zeigen.

Der Blick geht auf grau-blaue Plattenbauten, eine Billardkneipe, einen Ein-Euro-Discounter und die Baukräne. Eine urbane Ödnis, trübe und anziehend zugleich. Hier, an der Leipziger Straße/Ecke Jerusalemer Straße , befindet sich Conny Oppers jüngstes Projekt: „Konzulát“ nennt er den Kulturraum und Club im ehemaligen tschechischen Kulturzentrum. Zusammen mit der US-Amerikanerin Elizabeth Paige betreibt er das Konzulát seit Ende des vergangenen Jahres.

„Die Leipziger Straße war ein Niemandsland“, sagt Opper. „Dass man in Mitte noch einen originalgetreuen Ort wie diesen finden kann, hat mich selbst überrascht.“ „Konzulát“ ist übrigens tschechisch, und verweist auf die Nähe zu den Botschaften, die rundherum ansässig sind, und natürlich auf die Geschichte des Hauses. Früher befanden sich im tschechischen Kulturzentrum eine Bibliothek und ein Kinosaal. Heute nutzen Opper und Paige die 1000 Quadratmeter für Ausstellungen, Lesungen, Filmvorführungen, Konzerte und Partys.

Paige, die seit fünf Jahren in Berlin lebt und in einer Band spielt, war schon zuvor in der New Yorker Partyszene unterwegs. Fürs Konzulát nutzt sie ihr internationales Netzwerk, um eine „Homebase“ für Künstler und Kreative auf der ganzen Welt zu schaffen. „In New York gibt es Orte wie das Konzulát, die Galerie, Club und Restaurant in einem sind, schon lange“, sagt die 26-Jährige. „In Berlin ist das bisher noch einzigartig.“

Der 42-jährige Opper dagegen will auch sein eigenes Publikum, das ihn mindestens seit zehn Jahren begleitet, ins Konzulát holen. Denn Opper, der in den 90er Jahren aus Bremen nach Berlin kam, ist ein alter Hase der Berliner Club-Szene: Er eröffnete das Rio, Scala, Flamingo und den Palast Neukölln. Neben dem Konzulát betreibt er derzeit noch das King Size in der Friedrichstraße – und das Berlin-Festival. Paige und Opper kennen sich, seitdem sie einst als Musikerin in seinem Club Flamingo auftrat.

Für Leute, die von Technoclubs genug haben

Zuletzt hat sich die Szene eher aus Mitte wegbewegt: Angesagte Clubs wie das Picknick oder das Cookies haben geschlossen, der Trend ging erst in Richtung Kreuzberg und nun vermehrt Neukölln. Die Leipziger Straße birgt, auch wegen ihrer Nähe zu Kreuzberg und ihres urbanen Erscheinungsbildes, ein Potenzial, das viele Kreative gerade austarieren.

Opper und Paige beleben in dieser urbanen Nische ein Stück altes Berlin wieder, wie sie sagen. Für Menschen, die keine Lust mehr auf immer gleiche Technoclubs haben oder solche, die nach der Vernissage noch zu einer After-Show-Party wollen. „Wir wollen die Leute inspirieren, sie sollen nicht wie nach einem gewöhnlichen Clubbesuch mit leeren Händen nach Hause gehen“, sagt Opper. Im Konzulát sind die beiden Betreiber bei fast jedem Event persönlich anzutreffen. Sie wollen gute Gastgeber sein, und sie haben Spaß am Nachtleben.

Einen handgeschriebenen Vertrag zum Auftritt Pete Dohertys beim Berlin-Festival bewahrt Opper bis heute auf. Schließlich bezeugt er das Zeichentalent des britischen Rockmusikers: Doherty hatte sich selbst und Opper auf den Vertrag gezeichnet. Solche künstlerischen Multitalente faszinieren Opper und Paige: Sie planen eine Ausstellungsreihe über Musiker als Künstler im Konzulát. Der Traum ist, Zeichnungen von Multitalenten wie Pete Doherty im Galerieraum im Erdgeschoss ausstellen, während oben im Kinosaal Livemusik spielt.

Auf der Suche nach musikalischen Newcomern

Da die Akustik im Kinosaal durch die Holzverkleidung sehr gut ist, wollen sie den Raum unter der Woche auch als Aufnahmestudio nutzen, um neue musikalische Talente zu fördern. Page und Opper suchen ständig nach neuer Musik und musikalischen Newcomern, sie haben keine Lust mehr auf die „immer gleiche Playlist“, wie sie es nennen. Ihr Ziel ist es, unbekannte Künstler zu buchen, bevor sie berühmt werden. „Wir wollen den heißen Scheiß“, sagt Opper und grinst. Beide stehen musikalisch auf düsteren, elektronischen Sound – was sich natürlich im Partyprogramm widerspiegelt.

Ist es also vorbei mit dem Boom der Elektro-Clubs in Berlin, sehnt man sich mehr und mehr nach Inhalten? Auserlesenes Kulturprogramm statt in „drei Tage wach“-Manier von einem Technoclub zum nächsten zu ziehen? Galerie-Feeling statt dumpfen Partyexzessen? Das Konzulát jedenfalls will bewusst ein breites, kulturinteressiertes Publikum jeden Alters ansprechen.

Und eigentlich ist Kultur für Opper immer eine Herzensangelegenheit gewesen. Nur – warum das mit dem Nachtleben verbinden? „Im Nachtleben sind alle gleich“, sagt Opper. „Ein Banker steht neben einem Szenekid, die Sekretärin neben einem Künstler.“ Deswegen brauchen sie auch keine Türpolitik, meint Paige. „Unser Programm findet sein Publikum von selbst.“

Der Vertrag für das Konzulát läuft vorerst einmal bis Ende 2016. Die Stadt wollte dem Leerstand in der Leipziger Straße mit „temporärer kultureller Zwischennutzung“ begegnen und gerade die junge Kreativwirtschaft herlocken. Drumherum siedeln sich deswegen viele Galerien an. Und nachdem das ehemalige tschechische Kulturforum zehn Jahre leer gestanden hatte, findet die Kultur- und Partyszene Berlins im Konzulát einen neuen Treffpunkt.

Trotzdem haben Opper und Paige drinnen alles beim Alten belassen: Im ehemaligen Kinosaal fehlen nur die Sitzreihen, damit Platz zum Tanzen ist; in der früheren Bibliothek des Kulturzentrums mit Blick auf das Axel-Springer-Gebäude sind die in die Wände eingelassenen Bücherregale nunmehr mit Graffiti versehenen, aber immer noch zu erkennen. „Für mich ist Berlin nach wie vor die spannendste Stadt der Welt“, sagt Opper. Auch wenn er die negativen Seiten der Gentrifizierung sieht, mag er den wehleidigen Blick zurück nicht. Er möchte lieber positive Akzente setzen, mitbestimmen, wie sich die Stadt, wie sich die Szene wandelt. „Man muss diesen Ort zum Blühen bringen, bevor die Karawane weiterzieht.“

Am heutigen Freitag gibt es ein „elektronisches Live-Experiment“ der „KeplerStudios“, ab 23 Uhr im Konzulát, Leipziger Straße 60, Mitte (Eingang Jerusalemer Straße). Nach dem Konzert wird weitergefeiert. Mehr Infos gibt es hier.

Jana Scholz

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