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Berlin: "Korrupte" Kriminalbeamte: Kronzeuge als Lügner entlarvt

Die "Korruptionsaffäre" bei der Berliner Polizei hat eine sensationelle Wendung genommen.Am Donnerstagabend ließ die Staatsanwaltschaft den deutsch-rumänischen Belastungszeugen Ion H.

Die "Korruptionsaffäre" bei der Berliner Polizei hat eine sensationelle Wendung genommen.Am Donnerstagabend ließ die Staatsanwaltschaft den deutsch-rumänischen Belastungszeugen Ion H.verhaften.Der Mann hatte vier Beamte des Landeskriminalamtes der Bestechlichkeit und einer intensiven Zusammenarbeit mit rumänischen Banden bezichtigt.Inzwischen haben die Ermittler ihn mehrerer Lügen überführt.Der Verdacht gegen die beschuldigten Kriminalbeamten gilt als stark verringert.Die noch bestehenden Haftbefehle wurden aufgehoben.

Die Strafverteidiger Johann Schmid-Drachmann und Manfred Studier reagierten gegenüber dem Tagesspiegel völlig gleich: "Das habe ich erwartet".Studier vertritt den schwerstbeschuldigten 58jährigen Hauptkommissar Manfred F., Schmid-Drachmann einen zweiten Beschuldigten.Das erste Entlastungsschreiben der Staatsanwaltschaft dürfte aber die Ehefrau des Hauptkommissars Holger L.erhalten.Der Rumäne hatte sie eines kriminellen Zigarettentransports bezichtigt.Die Frau wurde deshalb im März in Fesseln aus einer Kita geholt.Der Vorwurf war eine Lüge, wie H.inzwischen zugegeben hat.Erfunden war auch sein "intimes Verhältnis" zur Tochter dieses Polizisten, einer Schülerin.Eltern und Tochter bestritten zwar eine solche Allianz, konnten aber auch das Gegenteil nicht beweisen.Durch umfangreichste Ermittlungen haben dann Korruptionsfahnder des LKA die Legende von den angeblichen gemeinsamen Übernachtungen widerlegt.So wurden die Schul-Termine des Mädchens und alle Gästebücher von Hotels und Pensionen in Schwerin überprüft.Besonders makaber war, so verlautet aus der Polizei, die Gegenüberstellung des Belastungszeugen mit dem Mädchen: Erst sprach er sie mit einem Männernamen an, dann mit dem Namen ihrer Mutter.

Zurückgenommen hat der Mann auch die Behauptung, er habe eine Geldübergabe an den Hauptkommissar Manfred K.gesehen.Ein Meineid - wie er zugegeben hat.Von der Geldübergabe habe er nur "gehört".

Trotz weiter bestehenden und verblüffenden Detailwissens des Rumänen über die Polizisten und die Raubaktionen zweier Banden sieht die Staatsanwaltschaft nun eine "gravierende Veränderung": Die Beschuldigungen gegen die Polizisten sind ins Wackeln geraten, bei dem Zeugen aber besteht erhöhte Fluchtgefahr.Er hatte nicht nur sich selbst, sondern auch Kumpane mit verschiedenen Raubüberfällen stark belastet.

Woher die Beschuldigungen gegen die Polizisten stammen und wie sie motiviert sind, ist weiter völlig unklar.Studier hält H.für "einen verschlagenen, nicht unintelligenten und sehr phantasievollen Menschen, hinterhältig und nicht berechenbar".Der Mann hatte sich der Polizei schon früher als Spitzel angeboten.Vor allem will er ein Bleiberecht in Deutschland.Bisher war er im Zeugenschutzprogramm der Polizei.

Ausgestanden ist der Fall für alle Polizisten aber noch nicht.Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gehen weiter.Einer der Hauptkommissare muß mindestens mit einem Verfahren wegen Strafvereitelung rechnen, weil bei den Durchsuchungen in seinem Auto zahlreiche Akten gefunden worden waren: Teilweise unbearbeitete und teilweise angeblich zur Staatsanwaltschaft abgegebene Fälle.Sonstiges Belastungsmaterial konnten die Ermittler aber auch gegen ihn nicht finden - allerdings auch keine Entlastung.So dürften sich die Ermittlungen auf die Frage konzentrieren: Was oder wer steht hinter dem verhafteten Belastungszeugen? Nicht ausgeschlossen werden kann eine Intrige verurteilter Krimineller: Die Beamten hatten gegen rumänische Banden ermittelt.

HANS TOEPPEN

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