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Berlin: Kranke sind Menschen, keine Fälle

Patientenbeauftragte Stötzner über gute Kliniken

Fragt man einen Menschen nach einem Klinikaufenthalt, wie gut das Krankenhaus war, hört man Dinge wie: Das Essen hat nicht geschmeckt. Oder: Die Schwester war nett und es war sauber. Doch über die Qualität der Therapie kann ein Patient oft nichts sagen, weil das für Nichtmediziner schwer durchschaubar ist. Woran erkennt man ein gutes Krankenhaus?

Natürlich sind auch solche „weichen“ Parameter, wie Sauberkeit und Freundlichkeit wichtig für die Behandlung. Aber über die Qualität sagen sie wenig aus. Patienten wollen sich bei den Ärzten gut aufgehoben fühlen. Das heißt, dass der Doktor sich Zeit nimmt, um in einem ausführlichen Gespräch die Behandlung, die Alternativen und auch die Risiken zu erklären. Kranke möchten als Menschen angenommen werden, nicht als Fälle. Ein weiterer Qualitätsfaktor ist, ob sich die Klinik um die Zeit nach der Entlassung kümmert. Das ist gerade bei den kürzer werdenden Liegezeiten im Krankenhaus enorm wichtig: informiert die Klinik die Sozialstation über den bevorstehenden Entlassungstermin und hilft sie bei der Organisation einer Anschluss-Heilbehandlung. Und dann gibt es da noch die Patienten, deren Erkrankung lebensbedrohlich ist. Sie sollten danach fragen, ob das Krankenhaus eine gute psychologische Betreuung bieten kann.

Es gibt aber auch immer mehr Patienten, die sich bereits vor der Krankenhaus-Aufnahme intensiv informieren ...

Ja, chronisch Kranke zum Beispiel. Denn diese wissen meist sehr gut Bescheid über ihre Krankheit, über die Therapiemöglichkeiten und Alternativen. Für sie ist ein gutes Krankenhaus eines, das die entsprechende Spezialtechnik und Personalqualifizierung zu bieten hat. Und schließlich gibt es da die noch relativ kleine Gruppe von Patienten, die anhand der Qualitätsdaten etwas über eine Klinik erfahren wollen – auch wenn das auf den ersten Blick mühsam ist, weil die Beschäftigung mit Qualitätskennzahlen wie Komplikationsraten oder Wundinfektionen Zeit und auch etwas Mühe erfordert. Die Zahl der Menschen, die diese detaillierten Informationen über ein Krankenhaus erfahren wollen, wächst jedoch.

Was ist bei diesen Indikatoren sinnvoller für einen Leistungsvergleich: die unbearbeiteten Rohdaten oder aber die Umwandlung in Wertungsnoten?

Aus Sicht der Patienteninitiativen sind die Rohdaten besser geeignet, auch wenn Kranke erwarten, dass man ihnen fertige Bewertungen vorsetzt, Punkte etwa oder Noten von eins bis sechs. Doch das würde dem komplizierten Prozess einer Heilung nicht gerecht werden. Da sind zu viele Faktoren wichtig, die man nicht in eine zusammenfassende Bewertung pressen kann. Patienten müssen sich damit auseinander setzen, wonach sie gezielt fragen sollten: etwa nach der Komplikationsrate bei der Implantationen eines künstlichen Kniegelenks oder dem Anteil der Brustkrebspatientinnen, bei denen eine Hormonrezeptoranalyse gemacht wird, bevor der Arzt eine Chemotherapie vorschlägt.

Viele Patienten sehen im Arzt eine Autorität, deren Empfehlungen sie bedingungslos folgen. Das andere Extrem wäre der völlig mündige Patient, der ganz allein entscheiden muss, welche Therapie gut für ihn ist. Wo ist da die gesunde Mitte? Wie viel Bevormundung durch den Arzt muss sein?

Der einweisende Arzt bleibt die wichtigste Instanz für den kranken Menschen, wenn er ein Krankenhaus für die stationäre Behandlung wählen muss. Aber der Kranke sollte mit Informationen in das Gespräch gehen und gezielt Fragen stellen können. Es geht also nicht um Bevormundung, sondern um helfende Beratung. Und die dafür nötigen Informationen bieten zum Beispiel die Patientenberatungsstellen und Selbsthilfegruppen.

Ist es nicht auch ein Ausdruck von Misstrauen des Patienten gegenüber seinem behandelnden Hausarzt, wenn er sich vor dem Gespräch selbst über die Leistungsfähigkeit von Kliniken informiert?

Fragende Patienten sind keine Querulanten sondern nehmen ihr Recht wahr, selbst wählen zu können, wo sie sich behandeln lassen. Gute Informationen sind also kein Gegensatz zum Vertrauensverhältnis von Patient und Arzt sondern dessen Voraussetzung. Und der Doktor, den so etwas stört, der sollte sich fragen, ob er den richtigen Beruf gewählt hat.

Auch die Kliniken wissen, wie wichtig die einweisenden Ärzte sind, um Patienten in ihre Häuser zu holen. Deshalb kümmern sie sich zunehmend um gute Kontakte zu den niedergelassenen Medizinern. Zum Beispiel über Verträge der so genannten integrierten Versorgung, bei denen Krankenkassen mit ambulanten Ärzten, Kliniken und Rehabilitations-Einrichtungen Vereinbarungen für die gesamte Versorgungskette abschließen und die Versicherten nur zu den beteiligten Anbietern lenken. Oder über Einzelverträge, mit denen ganze Facharztgruppen an einen Klinikträger gebunden werden, der dann pro überwiesenen Patienten an die Ärzte Geld für die ambulante Vor- und Nachsorge zahlt. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Aus Sicht der Patienteninitiativen ist das sehr problematisch. Sicher geht es bei solchen Verträgen auch um eine Verbesserung der Behandlungsqualität, wenn die einzelnen Segmente der Behandlung – also ambulant, stationär und Reha – verbunden werden. Aber solche Verträge sind oft intransparent. Der Patient muss erfahren, wie die Empfehlung seines Arztes für ein Krankenhaus, für eine Arznei oder eine Therapie zustande kam. Er muss sich sicher sein können, dass die Entscheidungen medizinischen Notwendigkeiten folgen und nicht einem Vertragstext. Deshalb fordern wir die Offenlegung aller Inhalte solcher Verträge.

Karin Stötzner (55) ist die Patientenbeauftragte des Landes Berlin und Leiterin von Sekis – Selbsthilfe Kontakt- und Informationsstelle in Berlin.

Das Gespräch führte Ingo Bach.

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