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Berlin: Kreisch!

Heute spielen Tokio Hotel im Velodrom Die Veranstalter rechnen mit ohnmächtigen Fans

Das Kreischen beginnt schon am Nachmittag. Wenn um 16 Uhr 30 die ersten Fans ins Velodrom gelassen werden, wird der Geräuschpegel schnell unerträglich. Und das, obwohl die vier Musiker erst um halb sieben die Bühne betreten, sagt Roger Hass vom Veranstalter Loft Concerts. „Es reicht schon aus, dass wir vorher Videos an die Wand werfen. Sobald Gesichter der Bandmitglieder zu sehen sind, hört das Geschrei nicht mehr auf.“

9000 Fans werden heute Abend zum Konzert der Magdeburger Teenieband Tokio Hotel im Velodrom erwartet. Die wenigen Restkarten, die es noch gibt, sind bis zum Abend ausverkauft, sagt Hass. Schließlich ist es erst das zweite Mal, dass Bill, Tom, Georg und Gustav in Berlin auftreten. Im Dezember haben sie vor 3500 Fans in der Columbiahalle gespielt. Jetzt also im Velodrom. „Die Beliebtheit der Band hat sich in letzter Zeit noch einmal gesteigert“, sagt Hass. Und zum Teil hysterische Züge angenommen. Bei einem Konzert gab es eine Lärmpegelmessung: Die Band kam mit Schlagzeug, Gitarre und Bass auf 90 Dezibel. Das Kreischen der Fans kam auf 120. Das ist lauter als ein Presslufthammer und nur wenig leiser als ein Düsenflugzeug. Um Hörschäden vorzubeugen, verteilt der Veranstalter vor Konzertbeginn tausende Ohrstöpsel – in den ersten Reihen gratis, weiter hinten zum Selbstkostenpreis.

Das sind nicht die einzigen Sicherheitsvorkehrungen. Weil die meist sehr jungen, in der Regel weiblichen Fans bei Konzerten gleich reihenweise entkräftet zusammenbrechen, sind während des Auftritts 130 Ordner und 35 Sanitäter in der Halle. Draußen warten mehrere Rettungswagen, Notärzte inklusive. Im Februar kollabierten bei einem Konzert in Trier insgesamt 240 Fans, 16 mussten ins Krankenhaus. Mit so vielen Fällen rechnet Roger Hass heute aber nicht. Einerseits, weil die Ordner im Hallen-Innenraum drei Reihen von Absperrgittern – so genannte „Wellenbrecher“ – aufgestellt haben. „Die sorgen dafür, dass beim Drängeln nicht so viel Druck entsteht.“ Außerdem werden draußen vor der Halle Wartenummern verteilt: „Die ersten Fans stellen sich schon um 7 Uhr morgens an. Mit den Nummern können sie zwischendurch auf Toilette gehen und sich hinterher wieder in die Schlange einreihen.“ Ansonsten würde kein Fan freiwillig seinen Platz in der Warteschlange aufgeben, weiß Hass. Und das würde dazu führen, dass die Jugendlichen den ganzen Tag über nichts trinken und beim Konzert schon allein deswegen zusammenbrechen.

Es gebe aber noch andere Gründe für die massenhaften Schwächeanfälle: Manche Fans täuschten ihre Entkräftung nur vor, weil sie darauf spekulierten, von den Sanitätern hinter die Bühne getragen zu werden und so der Band näher zu kommen. Was aber vollkommen unsinnig sei: „Ich kann versichern, dass sich unsere Ausruhbereiche ganz weit weg von der Bühne befinden.“ Hass warnt davor, wegen der Schwäche- und Ohnmachtsanfälle in anderen Städten in Panik zu verfallen – so etwas sei bei Teenieband-Konzerten mit jungem Publikum keine Seltenheit (s. auch Artikel Seite 3).

Johannes Cordes von Universal, der Plattenfirma von Tokio Hotel, sieht das ähnlich: „Das war schon so bei den Beatles, den Rolling Stones, Take That, den Backstreet Boys.“ Und besorgte Eltern könnten ihre Kinder ja zu dem Konzert begleiten. Wenn die unter 14 Jahre sind, ist Begleitung sowieso Pflicht, Kinder unter sechs Jahren dürfen überhaupt nicht in die Halle. Roger Hass vom Veranstalter Loft Concerts schätzt den Anteil der Erwachsenen auf Tokio-Hotel-Konzerten auf weniger als 20 Prozent. „Das ist den Kids meistens doch peinlich, ihre Eltern dabeizuhaben.“

Das Konzert beginnt heute um 18.30 Uhr im Velodrom, Paul-Heyse-Straße 26 in Prenzlauer Berg. Restkarten gibt es für 28 Euro an der Abendkasse. Der Tagesspiegel verlost zwei mal zwei Karten für das Konzert. Einfach heute bis 11 Uhr eine Mail mit Betreff „Tokio Hotel“ an verlosung@tagesspiegel.de schicken. Unbedingt eine Telefonnummer angeben.

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