zum Hauptinhalt

McDonalds: Kreuzberger formieren sich gegen Fastfood-Restaurant

In Kreuzberg ist ein Kulturkampf um die erste McDonalds-Filiale im Kiez ausgebrochen. Eine Bürgerinitiative soll jetzt die Bemühungen der Anwohner gegen den Fastfood-Giganten koordinieren. Aber die Zeit wird knapp. Von Maike Redeker

Gabriele Tamm* lebt seit 40 Jahren in Kreuzberg. Sie lebt hier gerne, obwohl an ihrem Haus der Verkehr der belebten Skalitzer Straße vorbeibraust und im Drei Minuten-Takt die Züge der U-Bahnlinie 1 vorbeirumpeln. Nur nach hinten raus hatten sie und ihr Mann bislang Ruhe. Vor kurzem bekamen sie nun ein Angebot besonderer Art: Ob sie nicht vielleicht Lust hätten, irgendwo im Grünen zu wohnen. Oder man könnte auch die Miete ganz übernehmen.

Die Offerte kam von der Restaurantkette McDonalds. Denn in direkter Nachbarschaft von Gabriele Tamm soll eine Filiale der Fastfoodkette entstehen, die erste in Kreuzberg. Mit Platz für 100 Gäste und einem Mc Drive. Und der würde direkt unterhalb des Schlafzimmers von Ehepaar Tamm vorbeiführen. "Da werden dann die Leute ununterbrochen ihre Bestellungen aufgeben, die Mikrophone ständig in Betrieb sein. Dann haben wir keine Lebenqualität mehr", befürchtet Tamm. Und dass neben dem Lärm Autoabgase und Küchengerüche schwadenweise in ihre Wohnung ziehen. Aber ausziehen kommt für sie nicht in Frage: "Wir haben ne schöne Wohnung, wir haben uns die schön eingerichtet, und ich lebe hier in Kreuzberg sehr gerne." Auch andere Angebote der Burgerkette stießen bei ihnen auf Ablehnung: "Wir hatten auch schon mehrere Einladungen zum Essen bei denen, aber wir essen nunmal kein Fastfood."

McDonalds schickte einen Anwalt

Ansonsten hat sich in der Frage der Wohnung kaum etwas bewegt. "Wir bekamen noch ein Schreiben von McDonalds, um uns zusammen zu setzen, wie unsere Situation erleichtert oder verbessert werden kann, aber dann kam nur ein Anwalt, der hat die Pläne gezeigt und auf unsere Fragen immer nur gesagt, "das geht nicht, das geht nicht, das geht nicht" - also, wir hätten uns gar nicht zu treffen brauchen." Geld für einen eigenen Anwalt hat sie nicht und beim Rechtschutz würde ihr das Verfahren zu lange dauern. "Die würden das lange prüfen und dann ja wohl auch nichts gegen McDonalds unternehmen." Schließlich hat die Fastfoodkette bereits 2002 das Grundstück erworben. So lange sich noch nichts auf der Baustelle tat, ist nichts unternommen worden. Doch schon Ende August könnten hier die ersten BigMäcs verkauft werden.

Deshalb ist sie an diesem Mittwoch zur Bürgerversammlung gegangen, nur nur wenige Straßenzüge von ihrem Haus und der Baustelle entfernt. Im Kiez ist sie nicht die einzige, die hier keinen Ableger der amerikanischen Fastfoodkette möchte. "Ick habe ja nüscht gegen Burger, ick gehe sogar ganz gerne mal zum 'Kreuzburger', aber hinter McDonalds steckt so viel mehr, ick sag nur: die Rodung der Regenwälder, und dann diese Geheimhaltungsmasche hier - an der Baustelle steht ja noch nicht mal leserlich, was da passiert. Nee, det will ick hier im Kiez nicht", meint einer der Kreuzberger, die sich im Gruppenraum des Seniorenheims in der Falckensteinstraße 6 versammelt haben: Noch hat die Initiative, die sich gegen den Bau des Fastfoodrestaurants im Kreuzberger Bezirk SO 36 formiert hat, noch keinen Namen. Den wollen sich die Bürger heute abend geben. Es ist erst das zweite Treffen, doch auch heute sind an die 80 Kiezbewohner zusammengekommen. "Es werden sicher noch mehr werden", meint Sarah Miller zuversichtlich.

Unauffällige Bauarbeiten

Sie ist zusammen mit Katrin Schmidberger die Wortführerin der Initiative. Durch Zufall hat sie in der letzten Aprilwoche die Baustelle entdeckt. Mit ihren beiden Kindern kam sie an der Wrangelstraße Ecke Skalitzer Straße vorbei, wo ihr der Bauzaun gleich auffiel. Weniger auffällig war das, was sich hinter dem Zaun verbirgt. Erst auf ihre Nachfrage bei den Wachleuten auf der Baustelle erfuhr sie: Hier soll ein Restaurant von McDonalds entstehen.

"Dieser Kiez ist wirklich gerade dabei, sich zu erholen. Es gibt so viele Kleinrestaurants und Bistros hier, die gerade eröffnet haben. Und es gibt so viele positive Energien wie schon lange nicht mehr, nicht nur linke, sondern konstruktive und künstlerische Ideen von Leuten aus aller Welt, die hierher kommen, um hier zu leben - so wie es die Stadt eigentlich ja auch wollte." Und nicht nur um das Flair in SO 36 fürchtet Miller: "Wir werden auch ein großes Müllproblem bekommen: Die Leute fahren vom Mc Drive dann 200, 300 Meter weiter und schmeißen den Müll einfach aus dem Fenster." Gemeinsam wollen sie nun eine sinnvolle Nutzung des Geländes finden, die aber mit McDonalds nichts zu tun hat. "Wir wollen die Anwohner und auch die mehreren Tausend Schüler der anliegenden drei Schulen, ihre Eltern und Lehrer auf die Baupläne von McDonalds aufmerksam machen. Denn die Schüler würden unmittelbar aus ihren Klassenzimmern in die McDonalds Filiale fallen."

Arbeitsgruppen sollen den Widerstand effektiver machen

Am heutigen Abend haben sich Arbeitsgruppen gebildet, die sich nun unter Ausschluss der Presse etwa zum Thema Baurecht und Öffentlichkeitsarbeit zusammensetzen und das weitere Vorgehen planen. "Die AGs sollen uns ermöglichen besser, schneller und effektiver zu arbeiten. Wir werden auch auf die Bundestagsdebatte über Fettleibigkeit hinweisen. Denn man könnte diese Debatten ja auch vernetzen. Jedenfalls werden wir werden viele bunte, lustige, vielleicht auch etwas freche Aktionen starten. Aber bestimmt nicht militant und aggressiv", betont Miller. Dann seufzt sie: "Es gäbe so viele Alternativen, wie man das Grundstück nutzen könnte - die Leute hier haben so viele Ideen, hatten aber nicht das Geld, das Land von der Post zu kaufen." Neben Geld fehlt vor allem eines: Zeit. Nur noch vier Monate sind es bis zur Eröffnung des Restaurants. Nicht viel Zeit, um die für ein Bürgerbegehren notwendigen 5000 Unterschriften zusammen zu bekommen.

Laut Newsblog von www.restaurant-kritik.de hat erst Ende März die Filiale am Berliner Hauptbahnhof den Rekord "Größte Massenbestellung bei McDonalds" geholt: 2.581 auf einmal bestellte Hamburger. Braucht die Stadt in Zeiten, in denen immer mehr Deutsche übergewichtig sind, wirklich auch noch Burger aus Kreuzberg?
*Name von der Redaktion geändert ()

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false