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Vorbei ist nicht vorbei. Opfer einer Straftat zu werden, das kann jedem passieren. Betroffene lässt dieses Erlebnis jahrelang nicht los; es muss mühsam verarbeitet werden. Der „Weisse Ring“ hilft dabei – durch Zuhören, Beratung und mit Geld.

© dpa/Hoenig

Kriminalität in Berlin: Der „Weisse Ring“ erinnert an die Opfer von Straftaten

Die Hilfsorganisation für Verbrechensopfer kümmert sich um Menschen, die Kriminalität erleben mussten - und fordert mehr Rechte für sie.

Von Fatina Keilani

Da war zum Beispiel der Mann Anfang 30, der sich gerade als Uhrmacher mit seinem eigenen Laden selbstständig gemacht hatte. Er wurde in seinem Geschäft überfallen und ausgeraubt. Er konnte dann erst mal nicht mehr in seinem Laden arbeiten. Ihm zitterten die Hände, die noch junge berufliche Existenz war zerstört; erst nach mehr als einem Jahr und einer längeren psychologischen Beratung kam er langsam wieder ins normale Leben zurück.

Oder der Koch, der während einer Zigarettenpause draußen vor dem Lokal mitbekam, wie ein Mann eine Frau mit dem Messer angriff und ihr half – er bekam dann einen Messerstich ab. Er wurde verletzt, verlor seine Arbeit und hätte ohne die Hilfe des „Weissen Rings“ wohl auch noch seine Wohnung verloren.

Rund 1200 Menschen hat der „Weisse Ring“ im vergangenen Jahr geholfen. Um an sie zu erinnern, lassen Ehrenamtliche der Organisation jedes Jahr zum „Tag des Kriminalitätsopfers“ Luftballons steigen – so auch am Samstag an einer Ecke des Karl-August-Platzes in Charlottenburg. „Wir wollen damit an die Kriminalitätsopfer des letzten Jahres erinnern und der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass es ihnen inzwischen besser geht und sie Licht am Ende des Tunnels sehen, denn viele nimmt ein solches Erlebnis sehr stark mit“, sagte die Landesvorsitzende Sabine Hartwig.

Loslassen. Hier wird mit Ballons an Kriminalitätsopfer erinnert.
Loslassen. Hier wird mit Ballons an Kriminalitätsopfer erinnert.

© Fatina Keilani

Jeder, der Opfer einer Straftat geworden ist, kann sich beim „Weissen Ring“ melden, dort bekommt er Hilfe. Die Organisation finanziert sich aus Spenden, Bußgeldern und Nachlässen. Öffentliche Gelder bekommt sie nicht.

Mit dem Geld hilft der „Weisse Ring“ vielen Menschen aus der akuten Notlage – sei es, dass er die Kosten der Nebenklage bezahlt, sei es, dass er erst mal die Miete übernimmt, um ein Opfer wie den Koch davor zu bewahren, auf der Straße zu landen. Es werden auch Gutscheine für eine Rechtsberatung ausgegeben, denn wer als Nebenkläger seine Rechte wahrnehmen will, braucht einen Strafverteidiger.

Der "Weisse Ring" legt das Geld erstmal aus - und holt es sich, wo er kann, zurück

Zwar gibt es das Opferentschädigungsgesetz, und wenn dieses einen Anspruch begründet, so lassen sich die Helfer diesen abtreten. „Wenn jemandem die Zähne ausgeschlagen werden, dauert es über das Opferentschädigungsgesetz aber Jahre, bis das Geld da ist“, sagt Gisela Raimund, die beim Berliner „Weissen Ring“ arbeitet und zugleich für ihn mit den Medien spricht. „Es ist nicht zumutbar, Jahre ohne Zähne herumzulaufen. Also legen wir das Geld erst mal aus und bezahlen die neuen Zähne, und wenn dann das Geld dafür kommt, bekommen wir es.“ Da der Staat das Gewaltmonopol und die Pflicht hat, seine Bürger vor Straftaten zu schützen, schuldet er Geschädigten Ersatz. Das ist der Grundgedanke des Opferentschädigungsgesetzes.

Allerdings hat der Schutz Lücken, wie sich nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz kurz vor Weihnachten des vergangenen Jahres zeigte. Für Straftaten, die mit einem Kraftfahrzeug begangen werden, greift die Verkehrsopferhilfe ein. Nach dem Anschlag habe große Verwirrung geherrscht, was denn nun gilt, sagte Hartwig. Das sei unwürdig. Menschen hätten zudem teilweise Tage gebraucht, um herauszufinden, in welchen Krankenhäusern ihre Angehörigen liegen. Gefehlt habe funktionierende zentrale Koordinierungsstelle. Auch die Hinterbliebenen seien Opfer. „Das wirkt sich verheerend aus, für viele auch finanziell, da geht es um erbrechtliche Fragen, um die Hypothek fürs Haus“, sagt Hartwig.

Insgesamt habe sich die Situation von Opfern in den vergangenen 40 Jahren kontinuierlich verbessert, es gebe aber noch viel zu tun. „Ein Täter hat zum Beispiel immer Anspruch auf einen Anwalt, ein Opfer nur bei bestimmten Delikten“, sagt Gisela Raimund. Das sei nicht einzusehen und sollte geändert werden – in gleiches Recht für alle.

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