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Berlin: Krisenmanager in turbulenten Zeiten

Gerd Löffler war in den 70er Jahren Senator und SPD-Landesvorsitzender. Ein Nachruf

Im Mai 1950 wird der seit einem knappen Jahr im thüringischen Schuldienst tätige Junglehrer Gerd Löffler, seit 1946 Mitglied der Liberal-Demokratischen Partei, fristlos entlassen: Er hatte sich geweigert, die zur Sicherung der SED-Vormacht durch eine „Einheitsliste“ manipulierten Wahlen in der DDR als demokratisch anzuerkennen. Der 22-Jährige flüchtet über die noch offene Grenze nach Berlin (West) – ein Schicksal, das er mit Hunderttausenden seiner Landsleute teilt. Während die meisten in ein westliches Bundesland weiterziehen, bleibt Löffler in der geteilten Stadt. Er wird Grundschullehrer, studiert an der Freien Universität Politikwissenschaft und Neuere Geschichte und tritt 1958 der SPD bei. Zehn Jahre später hat Löffler, der 1963 in das Abgeordnetenhaus gewählt wird und seit 1964 die Volkshochschule Schöneberg leitet, als Weddinger Sozialdemokrat Sitz und Stimme im Landesvorstand der damals von Willy Brandt geführten Partei. Ein Jahrzehnt später, von 1977 bis 1979, ist er selbst Vorsitzender der Berliner SPD.

Dazwischen liegen die oftmals turbulenten Geschehnisse jener Jahre, in denen der entscheidungsfreudige und redegewandte Bildungspolitiker neben Werner Stein zu einem der Väter des liberalen Hochschulreformgesetzes von 1969 und kurz darauf als Mitglied des Senats zum unermüdlich geforderten Krisenmanager wird. Von März 1970 bis April 1975 ist Gerd Löffler Senator für Schulwesen, danach bis Mai 1977 Senator für Wissenschaft und Kunst. Es ist dies die Zeit, da die von der Freien Universität ausgehenden Studentenunruhen die Merkmale eines europaweiten Flächenbrandes annehmen.

Damals lernte ich Gerd Löffler aus größerer Nähe kennen. Als Mitglied und zeitweiliger Vorsitzender des Fachbereichsrats des Otto-Suhr-Instituts unterstützte ich den von der Linken so genannten „reaktionären Löffler-Plan“, der eine freie Prüferwahl in Staatsexamina ausschloss. Löffler hatte erkannt, dass der studentische Anspruch, nur von Hochschullehrern geprüft zu werden, deren Lehrveranstaltungen man zuvor besucht hatte, die ideologischen Gräben vertiefen und den Wert der in Berlin abgelegten Studienabschlüsse in Frage stellen würde. Popularität ließ sich mit einem solchen Schritt, hier wie dort, freilich nicht gewinnen.

Später ergab sich, dass ich dem Wissenschaftssenator Löffler fast Woche für Woche begegnete. Als FU-Vizepräsident (und Nachfolger Uwe Wesels, der das Amt aus Protest gegen den Löffler-Plan niedergelegt hatte) war ich unter anderem für Berufungen zuständig; das Recht der Ruferteilung aber lag, damals wie heute, beim Senator. Zudem suchte die Staatsseite der linken Politisierung im Hochschulbereich nach Kräften entgegenzuwirken. Da ging es nicht immer konfliktfrei zu, wenn die Universitäten ihre Autonomie über Gebühr beschränkt sahen.

Im Grundsätzlichen habe ich mich den meist sehr dezidiert vertretenen Positionen Gerd Löfflers immer verbunden gefühlt. Die deutsche Teilung hat dieser geschichtsbewusste Sozialdemokrat nie als endgültig betrachtet. 1980 übernimmt er den Landesvorsitz des „Kuratoriums Unteilbares Deutschland“. Das Ereignis der Wende von 1989/90 hat er als glückliche Fügung erlebt. Als ich ihn am 30. Dezember, zehn Tage vor seinem Tod, ein letztes Mal besuche, spricht der schwer an Krebs Erkrankte mit fester Stimme von der Hoffnung, die der Mensch nie fahren lassen dürfe, und von der langen vita activa, die ihm beschieden gewesen ist.

Gerd Löffler ist 76 Jahre alt geworden. Heute nehmen seine Familie, seine Freunde und Weggefährten von ihm Abschied. Dietrich Stobbe, Gesine Schwan und Richard Schröder sprechen in der Dahlemer St. Annen-Kirche Wortes des Gedenkens.

Der Verfasser war 1977 bis 1981 Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung unter Peter Glotz.

Hartmut Jäckel

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