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Berlin: Kunst in den Gewölben des Wasserspeichers: Die Ausstellung ist der Beginn einer Veranstaltungsreihe mit Musik, Tanztheater und Filmvorführungen

Wie vorzeitliche Götzen stehen sie auf den an der Wand befestigten, rostigen Winkelblechen. Werfen lange Schlagschatten auf der rauen Backsteinwand des Großen Wasserspeichers in Prenzlauer Berg.

Wie vorzeitliche Götzen stehen sie auf den an der Wand befestigten, rostigen Winkelblechen. Werfen lange Schlagschatten auf der rauen Backsteinwand des Großen Wasserspeichers in Prenzlauer Berg. Die Torfsteine der Berliner Künstlerin Sylvia Breitwieser strahlen erdige Ruhe aus. Und fügen sich damit in das Motto des Kultursommers der Initiative "Förderband": "Terratektura" spürt dem zweiten der vier Elemente nach, der Erde, im letzten Jahr war - dem Ort angemessen - das Wasser Thema. Und so kann man in den Gewölben nicht nur verloren gehen, sondern auch Entdeckungen machen.

Andreas Dippel hängte ein Foucaultsches Pendel von der Decke, das in sanften Schwingungen elliptische Spuren in den Sand zeichnet ("Rad des Lebens"). Ebenfalls Sand verwendet Birgit Wolf für "La recherche du temps cristalisé". Ihre 34 Konsolen Marke "Gelsenkirchener Barock" mit Alltagsgegenständen darauf zieren den äußersten Gewölbekreis. Mit Sand überzogen erhalten Zigarettenschachteln, Briefe, Pommesschalen und dergleichen mehr plötzlich Bedeutung. Die eingefrorene Flüchtigkeit atmet einen Hauch von Ewigkeit. Mit Material aus dem Erdinnern arbeitet Siegfried Pietrusky. Er streut Salzkörner-Linien auf matt-glänzende, schwarze Gummimatten. Die gleichmäßig gezogenen Furchen erinnern an gepflügte Äcker in gewelltem Gelände und erscheinen trotz des harten Schwarz-Weiß-Kontrastes psychedelisch-unscharf.

Die Ausstellung ist der Beginn einer Veranstaltungsreihe mit Musik, Tanztheater und Filmvorführungen. "Die Künstler werden eingeladen, um mit dem Raum zu arbeiten", sagt Kuratorin Barbara Rüth. So wurden nur Uraufführungen akzeptiert oder Produktionen, die den Räumlichkeiten des Großen und Kleinen Wasserspeichers eigens angepasst werden. Und das ist nicht leicht, wie Rüth zugibt: "Die sehr starke Präsenz der Räume kann einen Künstler auch erschlagen." Oder inspirieren, wie Tina Schwichtenberg zeigt. Sie macht sich die grandiose Raumwirkung der gebogenen Gewölbe zu Nutze. Ihr in Mehl auf den Boden geschriebenes 1. Kapitel des 1. Buch Moses (" ... macht euch die Erde untertan ...") windet sich mit dem Gang ins Unendliche, verschwindet im Nichts.

Einer der wenigen, der sich den Räumen und ihrer rauen Backstein-Ästhetik entzieht, ist Volker März. Seine 80 bemalten Ton-Figuren nennt er "Das absolute Periodensystem". Mensch und Materie ist sein Thema. Einerseits reduziert er die menschliche Physis ganz auf das Material. Andererseits erweitert er das chemische Periodensystem um menschliche Befindlichkeiten. Auf Wasserstoff folgt die Langeweile, Taumeln steht über Wismut und Kohlenstoff über den "singenden Eingeweiden". Manche der androgynen Figuren mit freiem Oberkörper und schwarzem Rock tragen ihre Seelenzustände als schwarzen Koffer mit sich herum. Ein Panoptikum menschlicher Leidenschaften voller humoristischer Details. Allein: Wer sich den gelungenen künstlerischen Dialog mit dem Großen Wasserspeicher ansehen möchte, muss sich warm anziehen.

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