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© Mrotzkowski

Kurras-Prozess: Ein Bier auf die Freiheit

Zum Prozess wegen unerlaubten Waffenbesitzes ließ sich Karl-Heinz Kurras im Rollstuhl bringen. Am Tag danach radelte er in eine Kneipe in Berlin-Staaken.

Das Laufen fällt ihm schwer, auf dem Fahrrad aber kommt er noch immer gut voran: Karl-Heinz Kurras, 81, bestieg am Tag nach seiner Gerichtsverhandlung wegen unerlaubten Waffenbesitzes wie üblich sein Fahrrad. Er fuhr damit zu einer Kneipe nahe der Heerstraße in Staaken, er wohnt ganz in der Nähe. Grund zum Feiern hat er durchaus: Die am Freitag verhängte Strafe – sechs Monate Haft für das nicht erlaubte Aufbewahren eines geladenen Smith&Wesson-Revolvers vom Kaliber 38 mit 165 Schuss Munition und einem Totschläger – wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Zum Prozess hatte sich Kurras noch in einem Rollstuhl bringen lassen, eine Pflegerin schob ihn, in der Hand hielt er eine Krücke. Zwar dürfte vielen älteren Leuten das Radeln leichter fallen als das Laufen, doch hatte Kurras dem Gericht über seinen Anwalt Mirko Röder auch Aussagen zu seiner gesundheitlichen Verfassung gemacht. Nach einem Sturz im Dezember habe er sich operieren lassen müssen; das Sprechen, das Hören und Sehen fallen ihm seither schwer, auch das Erinnern: „Wenn meine Frau mich fragt, was ich gestern gegessen habe, kann ich das heute nicht mehr beantworten.“

Der Satz und Kurras’ Gesamtverfassung könnten noch von Bedeutung sein für zwei Ermittlungsverfahren gegen den alten Mann mit den vielen Beschwerden: Die Bundesanwaltschaft prüft derzeit, ob Anklage wegen schweren Landesverrats gegen den Mann erhoben wird, der als West-Berliner Polizist zwischen 1955 und 1967 zahlreiche hochinteressante Berichte an die DDR-Staatssicherheit lieferte. Außerdem prüft die Berliner Generalstaatsanwaltschaft, ob es neue Erkenntnisse aus den Stasi-Akten zu dem Schuss gibt, mit dem Kurras am 2. Juni 1967 den Studenten Benno Ohnesorg getötet hat. Kurras ist also in mehr als einer Hinsicht eine Person der Zeitgeschichte, die Interessantes zu sagen haben wird, vielleicht auch beim Bier in Staaken. 

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