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Berlin: Kurz vor Toresschluss

Mit 45 beendet Jörg Herrmann seine Handballkarriere – bei den Füchsen soll er bleiben

Nein, als Methusalem fühle er sich noch lange nicht, „aber irgendwann muss mal Schluss sein, muss die Familie zu ihrem Recht kommen“. Also verkündete Jörg Herrmann dieser Tage, dass am 8. Mai, am Ende dieser Saison, endgültig Schluss ist. Wenige Monate nach seinem 45. Geburtstag.

28 Jahre stand Herrmann zwischen den Pfosten des drei Meter breiten Handballtores. Mal beim BFC Dynamo, mal in der Auswahl der DDR bei 18 Länderspielen, oft im Schatten von Wieland Schmidt und Peter Hofmann. Mal in der Bundesliga beim TV Eitra und Blau-Weiß Spandau, jetzt noch beim Zweitligisten Reinickendorfer Füchse. Als wäre das nicht schon genug, war er in der Vorsaison bei den Füchsen auch noch Spieler und Trainer in Personalunion.

Nicht als Profi, der mit Handball das große Geld verdient, ist Herrmann noch dabei. Er ist im Hauptberuf Steuerfachangestellter. In Reinickendorf. Sein Haus steht in Hohenschönhausen, trainiert wird, dreimal in der Woche, meist in Charlottenburg. Da kommt die Familie zwangsläufig zu kurz. Doch die ist auch sportbesessen. Seine Frau Heide ist Eiskunstlauftrainerin beim SC Berlin, Sohn Felix kickt in der A-Jugend des 1. FC Union und Tochter Anne studiert Sport. Künftig wird der Ehemann und Vater wieder öfter zu Hause sein.

Eigentlich wollte Herrmann schon in der Vorsaison seine ungewöhnliche Karriere beenden. Da erwogen die Füchse den Rückzug aus der Liga. Im letzten Moment entschied man sich anders. Doch für Herrmann wurde es ein „unheimlich belastendes Jahr“, weil die Nordberliner „unter Bedingungen spielten, die eigentlich unzumutbar waren“. Immerhin, der Abstieg wurde vermieden. Woran Herrmann besonderen Anteil hatte. Auch in dieser Saison ist auf ihn Verlass, auch wenn der Kubaner Alberto Chamber-Montalvo auf mehr Einsatzzeiten im Tor kommt. Einmal, im Januar, saß Herrmann nicht mal auf der Bank. Da war ihm bei Glatteis ein anderes Auto in die Quere gekommen. Herrmanns Wagen hatte Totalschaden, er selbst kam mit einer schweren Gehirnerschütterung davon. Beim nächsten Spiel war er wieder dabei.

Ein einstelliger Tabellenplatz – das hatte sich Herrmann zu seinem Karriereende noch mal als Ziel gesetzt. Möglicherweise verfehlt er es. Nach der letzten Niederlage am Sonnabend in Fredenbeck liegen die Füchse auf Rang 13. Vielleicht ist er am Ende froh, mit seinen Teamkameraden nicht zu den drei Absteigerklubs zu gehören.Von der angepeilten Rückkehr in die höchste Spielklasse sind die Füchse noch weit entfernt.

Aber vielleicht wird alles professioneller, wenn die Kommanditgesellschaft gegründet ist, die das Team vermarkten soll. Und vielleicht ist dann Jörg Herrmann dabei, im wirtschaftlichen Bereich. „Wir würden ihn gern einbinden“, sagt Thomas Micheli, der Sportliche Leiter. Vielleicht macht Herrmann aber auch was ganz anderes. Etwas, was so ganz anders nicht ist. „Ich könnte mir vorstellen, Torwarttrainer zu werden“, sagt er. Vom Tor kommt Jörg Herrmann offenbar nicht los.

Klaus Rocca

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