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Ab 1. März 2020 müssen Kinder vor der Aufnahme in die Kita oder Schule gegen Masern geimpft sein. Foto: Getty Images

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Kurzer Pikser, lange Wirkung: Was man übers Impfen wissen sollte

Ab dem 1. März müssen Kita- und Schulkinder geimpft sein. Wie Impfungen wirken, was man über Nebenwirkungen weiß und warum sie so wichtig sind.

Was hätte die Menschheit schon vor Jahrhunderten für solch eine simple Methode gegeben? Impfungen, die eine mitunter lebenslange Abwehr gegen teils lebensbedrohliche Erkrankungen ermöglichen. Durch diese Vorbeugung ist nicht nur der Einzelne vor schweren Infektionskrankheiten geschützt, sondern auch die Allgemeinheit.

Denn sind in einer Bevölkerung ausreichend viele Personen gegen bestimmte Krankheitserreger geimpft, wird die Weiterverbreitung der Keime behindert – und das schützt auch die Nichtgeimpften. Die Erfolgsgeschichte erstreckt sich mittlerweile über mehrere Generationen. Impfprogramme haben seit Mitte des 20. Jahrhunderts die Verbreitung verschiedener Infektionskrankheiten eingedämmt oder ganz aufgehalten.

So konnten inzwischen die Pockenviren, gegen die bereits ab dem Ende des 18. Jahrhundert immunisiert wurde, abgesehen von ein paar Beständen etwa in Biowaffenlaboren global ausgerottet werden. Solche Erfolge ließen sich durch konsequentes Handeln wiederholen: Experten sagen, dass jährlich rund 1,5 Millionen Kinder an Krankheiten sterben, die durch Impfungen verhindert werden könnten.

Wie wirken Immunisierungen?

Die Wirkung der Impfungen beruht auf zwei Grundprinzipien, die als aktive und passive Immunisierung bezeichnet werden: Bei der aktiven produziert das Immunsystem körpereigene Antikörper, die speziell auf bestimmte Krankheitserreger zugeschnitten sind. Dazu werden dem Organismus entweder die abgeschwächten Keime oder deren Bausteine injiziert oder mittels Schluckimpfung oder Nasenspray verabreicht.

Die Medizin unterscheidet Lebendimpfstoffe (gegen Mumps, Masern, Röteln, Windpocken, humane Rotaviren oder Gelbfieber) von sogenannten Totimpfstoffen (beispielsweise gegen Tetanus, Diphtherie, Kinderlähmung, Keuchhusten oder Hepatitis A und B). Die Lebendimpfstoffe bestehen aus sehr geringen Mengen funktionsfähiger Keime, die so stark abgeschwächt sind, dass sie sich zwar noch vermehren, aber bei Menschen mit einem intakten Immunsystem keine Krankheit mehr auslösen können.

Totimpfstoffe hingegen enthalten abgetötete Viren oder Bakterien oder ausgewählte Bestandteile davon, die sich im Körper nicht mehr vermehren können, aber trotzdem eine Immunreaktion auslösen. Kommt der Organismus erneut mit einem Krankheitserreger in Kontakt, kann das Immunsystem schnell auf den schon bekannten Schädling reagieren, wodurch die Krankheit nicht oder nur deutlich abgeschwächt ausbricht.

Bei der sogenannten Passivimpfung hingegen stellt das Immunsystem die Antikörper nicht selbst her. Der Empfänger wird mit einem Serum geimpft, das bereits in hoher Konzentration Antikörper gegen den Erreger enthält und zu einem vorübergehenden Schutz führt. Diese Methode bietet sich in Kombination mit einer aktiven Impfung etwa zum Schutz eines Neugeborenen vor einer Infektion einer im Blut der Mutter nachweisbaren Hepatitis an.

Aber auch, wenn Patienten mit einem unbekannten Impfstatus nach einem Unfall vor einem dringenden operativen Eingriff stehen, verabreichen die Chirurgen eine Tetanus-Prophylaxe als Passivimpfung. Damit will man erreichen, dass der Organismus schnell auf einen ihm bis dato unbekannten Erreger reagieren kann. Denn die Bildung eigener Antikörper dauert eine gewisse Zeit.

Wie lange wirkt der Impfschutz?

Nach derzeitigem Wissensstand bieten manche der aktiven Immunisierungen einen dauerhaften Schutz. Ob sie wirklich ein Leben lang wirken, ist bisher nicht belegbar. „Ein lebenslanger Schutz zum Beispiel nach zwei Impfungen gegen Masern ist plausibel, da wir gegen diese Viren seit 40 Jahren ohne Hinweis auf eine Abnahme des Impfschutzes vorgehen“, sagt Martin Terhardt, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin.

Terhardt ist seit 2011 Mitglied der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut, die Empfehlungen für Impfungen ausspricht und regelmäßig den Impfkalender veröffentlicht. Der Hintergrund dafür, dass es noch keine Beweise für einen lebenslangen Immunisierungsschutz gebe, sei, dass es noch keine Geimpften gebe, die die natürliche Altersgrenze unbeschadet erreicht hätten.

Andere Impfungen müssen in regelmäßigen Abständen aufgefrischt werden. Um dabei den Überblick zu behalten, ist es ratsam, einen Impfpass zu führen. Aus ihm ist schnell ersichtlich, welche Impfungen zu welchem Zeitpunkt fällig sind. Der Impfausweis soll außerdem verhindern, dass falsche oder unnötige Impfungen durchgeführt werden.

Welche Nebenwirkungen gibt es?

Nebenwirkungen sind möglich, grundsätzlich aber selten. Falls sie auftreten sollten, sind sie fast immer harmlos und zeitlich begrenzt. Infolge der Impfung wird das Immunsystem angeregt, es läuft eine Entzündungsreaktion ab. Diese kann am Ort der Einstichstelle zu einer Schwellung, Rötung, zu Juckreiz oder Schmerzen führen.

Manchmal können auch nah gelegene Lymphknoten tastbar anschwellen. Erkältungsähnliche Symptome mit Fieber und Abgeschlagenheit sind möglich. Sie sind fast immer ungefährlich und dauern rund drei Tage an.

Nur selten sind sie schwerwiegender und müssen dann als Impfkomplikation vom Arzt gemeldet werden. Weiterhin gibt es als Besonderheit – etwa bei der Masern-Impfung – noch die sogenannte Impfkrankheit, die bei etwa fünf Prozent der Geimpften auftritt. Bei ihnen kommt es kurzzeitig zu Symptomen, die denen der zu verhütenden Erkrankung in abgeschwächter Form ähneln, aber nicht ansteckend sind.

„Die Impfstoffe werden von großen industrieunabhängigen Einrichtungen wie der Weltgesundheitsorganisation WHO, der Ständigen Impfkommission und den nationalen und internationalen Zulassungsbehörden ständig überwacht“, sagt Impfexperte Martin Terhardt. In dieser Ausführlichkeit werde keine andere Medikamentengruppe beaufsichtigt.

„Die Risiken dieser negativen Auswirkungen sind um ein Vielfaches kleiner als das Risiko von Komplikationen, wenn die entsprechende Krankheit auftritt“, sagt Terhardt. Nicht umsonst hat sich die Schutzimpfung als eine der ersten Präventionsmaßnahmen seit dem 19. Jahrhundert bis heute bewährt.

Wie gut sind die Deutschen geimpft?

In Deutschland besteht keine allgemeine Impfpflicht, allerdings müssen Kinder ab 1. März 2020 vor der Aufnahme in eine Kita oder Schule gegen Masern geimpft sein – wie auch alle Mitarbeitenden dort. Hierzulande werden Immunisierungen öffentlich von den Ländern empfohlen. Diese Empfehlungen, die auch bedeuten, dass die Krankenkassen die Kosten dafür übernehmen, beruhen auf den Beratungen der ehrenamtlichen, unabhängigen STIKO.

Vor allem auch wegen der konsequenten Vorsorgekontrollen beim Kinderarzt ist der Durchimpfungsgrad – also der Anteil der Personen einer bestimmten Zielgruppe, der immunisiert ist – bei Kindern relativ hoch. „Wir wissen, dass aktuell in Deutschland bis zu 95 Prozent aller kleinen Kinder zwischen zwei und sechs Jahren ausreichend geimpft sind, wenn auch manchmal etwas zu spät“, sagt Kinderarzt Terhardt. Jugendliche und Erwachsene hingegen wiesen einen verhältnismäßig schlechten Impfschutz auf.

Auch bei chronisch Kranken oder Menschen ab 60 Jahren, für die zum Beispiel eine Grippeimpfung oder eine Impfung gegen Pneumokokken empfehlenswert sei, gebe es große Impflücken. „Außerdem sind viele Beschäftigte im Gesundheitswesen, die höhere Risiken für Ansteckungen und die Weiterverbreitung von Krankheiten in sich tragen, oft nicht ausreichend gegen Krankheitserreger wie Grippe, Masern, Keuchhusten, Hepatitis oder Windpocken gewappnet.“

Was kostem Impfungen?

Die gesetzlichen Krankenkassen oder gegebenenfalls auch die Arbeitgeber übernehmen in der Regel die Kosten für die von der STIKO empfohlenen Immunisierungen. Diese werden einmal jährlich auf den Webseiten des Robert Koch-Instituts veröffentlicht. Es gibt aber auch Impfungen, die man selbst zahlen muss – etwa bestimmte Reiseimpfungen wie gegen Hepatitis A, FSME, Typhus, Meningokokken, Gelbfieber oder Tollwut.

Die Preise können den dreistelligen Bereich erreichen, inzwischen erstatten aber immer mehr gesetzliche Krankenkassen Impfungen sowie eine Malariaprophylaxe für den privaten Auslandsurlaub. Für einen besseren Überblick, welche Krankenkasse für welche Reiseimmunisierungen aufkommt, hat das Centrum für Reise- und Tropenmedizin eine umfangreiche Tabelle im Internet erstellt. Zudem informiert das Tropeninstitut darüber, welche Impfnachweise man vor der Einreise in bestimmte Länder vorweisen muss.

Leonard Hillmann

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