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Die Privatisierungsverträge der Berliner Wasserwerke dürfen nun von Abgeordneten eingesehen werden.

© dpa

Berliner Verfassungsgerichtshof: Oberste Richter zwingen Senat zu mehr Transparenz

Erfolg für die Grünen-Abgeordnete Heidi Kosche: Das Berliner Verfassungsgericht bestätigte ihr Recht auf volle Einsicht in die Verträge zur Privatisierung der Wasserbetriebe.

Der Senat muss alle Akten über die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe öffnen – und der Grünen-Abgeordneten Heidi Kosche Einsicht gewähren. Das hat der Verfassungsgerichtshof des Landes am Mittwoch entschieden. Dass die Senatsverwaltung für Finanzen der Abgeordneten dies bisher verwehrt hat, sei „rechtswidrig“. Die Begründung des Senats für die Ablehnung der Einsichtnahme sei „fehlerhaft“: Die „zentrale Bedeutung der parlamentarischen Kontrolle“ dürfe den Interessen des Landes oder privater Firmen nur dann nachstehen, wenn der Grund „vollständig, konkret, nachvollziehbar und gewichtend“ dargelegt wird, erklärten die Richter. Dies habe der Senat versäumt. Der Verfassungsgerichtshof bezog sich in seiner Entscheidung auf das neue Informationsfreiheitsgesetz. Experten zufolge hat das Gericht damit die Hürden für die Verwehrung von Akteneinsicht deutlich erhöht.

Von einer „schallenden Ohrfeige für den Senat“ sprach Klägerin Kosche nach der Urteilsverkündung. Der Verfassungsgerichtshof bescheinige dem Land „Schlamperei und Geheimniskrämerei“. Kosche will sich nun flugs an die Durchsicht der 180 Aktenordner mit 90 000 Blatt machen. Die Papierschlacht „macht mir keine Angst“ – dafür will sie sogar auf ihren Sommerurlaub verzichten. Der Einsatz sei es wert: „Weil der Senat das Wasser zur Ware gemacht hat, bezahlen wir zu viel fürs Wasser“. Nach Angaben des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Unternehmen ist Wasser in keiner deutschen Großstadt mit mehr als 500.000 Einwohnern teurer als in Berlin.

Hintergrund der Auseinandersetzung ist der Verkauf von 49,9 Prozent der Berliner Wasserbetriebe im Jahr 1999 durch die damalige große Koalition an die privaten Konzerne RWE und Veolia zum Preis von umgerechnet rund 1,6 Milliarden Euro. Seit dieser Teilprivatisierung stiegen die Wasserpreise um 30 Prozent, obwohl viel Personal abgebaut wurde. Der Vertrag garantiert den Investoren unabhängig von der Geschäftsentwicklung eine Rendite auf das „betriebsnotwendige Kapital“. Dies erklärt Experten zufolge die steigenden Preise – denn Wasser gibt es in Berlin mehr, als gebraucht wird, und es ist leicht zu fördern.

Bundestagsmitglied Hans-Christian Ströbele (Grüne), der neben der Klägerin saß, erhofft sich von dem Urteil Schützenhilfe in seinem eigenen Kampf um Transparenz: Die Bundesregierung verweigert ihm die Einsichtnahme in Verträge zwischen dem bundeseigenen „Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung“ (Soffin) und den von ihm gestützten notleidenden Banken: Dabei „möchte man als Steuerzahler wissen, unter welchen Bedingungen die hunderte von Milliarden Euro ausgegeben werden“, sagte Ströbele. Der Sprecher der Finanzverwaltung Daniel Abbou schob die Schlappe auf andere: „Der ehemalige Finanzsenator hat verloren“. Thilo Sarrazin (SPD) hatte den Blick in die Verträge abgelehnt. Der heutige Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) sagte, das Verfahren sei nur „pflichtgemäß zu Ende geführt worden“ und nannte es „positiv, dass die Unsicherheiten über die Auskunftspflicht geklärt sind“. Uwe Gotze von der CDU-Fraktion sagte: „Gewonnen hat das Parlament und das in der Verfassung verbriefte Akteneinsichtsrecht der Abgeordneten.“ Götze meint: „Der Senat wird nun auch viele andere umstrittene Unterlagen zur Einsichtnahme durch Parlamentarier bereithalten müssen.“

Sven Kohlmeier von der SPD-Fraktion sieht durch das Urteil das neue Informationsfreiheitsgesetz bestätigt. Dieses gewährleiste „vollständige Transparenz“. Die üblichen „Geheimhaltungsklauseln“ in Verträgen zwischen privaten Firmen und dem Land seien laut Urteil nur im abgesteckten rechtlichen Rahmens gültig. Bisher sehen Abgeordnete Vertragsunterlagen in „Datenräumen“ ein, eine öffentliche Diskussion ist kaum möglich. Das könnte sich nun ändern.

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