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Direkte Demokratie: Berlin bei Volksbegehren auf Platz eins

Die Hauptstädter sind engagiert: Seit Oktober 2006 haben sie 14 Initiativen gestartet und sind damit bundesweit am aktivsten. Die neuesten Volksbegehren sind "Pro Reli" und die "Initiative für Genuss Berlin". Doch der Weg zu einer Gesetzesänderung ist steinig.

Zum Beginn des Volksbegehrens gegen das Rauchverbot hat der Verein "Mehr Demokratie" das Engagement der Berliner gelobt. Vorstandsmitglied Michael Efler sagte am Montag, seit der Verfassungsänderung im Oktober 2006 seien in Berlin 14 Volksbegehren und -initiativen eingeleitet worden. Damit sei das Land bei der Zahl dieser Verfahren deutschlandweit auf Platz eins gerückt. Dies zeige, "dass die Bürger mitreden wollen, wenn es um Themen geht wie Bildung, Gestaltung des Stadtbildes und städtische Infrastruktur".

Das jüngste Volksbegehren startete die "Initiative für Genuss Berlin". Sie will erreichen, dass Gaststättenbetreiber selbst darüber entscheiden können, ob und in welchem Umfang sie in ihren Räumen geraucht werden darf. Darüber hinaus wird eine Kennzeichnungspflicht als Raucher- oder als Nichtraucherlokal gefordert. Im Mai 2008 hatte die Initiative nach eigenen Angaben mehr als 23.000 Unterschriften eingereicht und damit die Bedingungen für das Zustandekommen des Volksbegehrens erfüllt.

Das Volksbegehren läuft bis 25. Mai. Für einen Erfolg müssen 171.000 Unterstützerunterschriften für den Gesetzentwurf gesammelt werden.

Organisatoren müssen mehrere Hürden überwinden

Doch vom Entwurf bis zur Gesetzesänderung ist es ein langer Weg. Um ihr Anliegen zum Gesetz zu machen, stellen die Organisatoren zunächst einen Antrag auf ein Volksbegehren. Dazu müssen sie innerhalb von sechs Monaten 20.000 Unterschriften sammeln. Fordert eine Initiative die Neuwahlen oder eine Verfassungsänderung, sind 50.000 Unterschriften nötig.

Haben sich ausreichend Unterstützer gefunden, reicht die Initiative ihren Entwurf bei der Senatsverwaltung ein. Die prüft, ob das Volksbegehren rechtlich zulässig ist. Auch im Abgeordnetenhaus von Berlin wird über den Entwurf beraten. Die Abgeordneten können den Vorschlag schon jetzt als Gesetz annehmen - dann ist kein Volksbegehren nötig

Vom Volksbegehren zum Volksentscheid

Lehnt das Abgeordnetenhaus das Anliegen der jeweiligen Initiative ab, kann diese ein Volksbegehren starten. Jetzt tickt die Uhr: Innerhalb von vier Monaten müssen 170.000 Wahlberechtigte für ein Volksbegehren unterschreiben. Erreicht die Initiative diese Zahl, wie es kürzlich Pro Reli gelang, muss ein Volksentscheid durchgeführt werden (dieser entfällt, wenn das Abgeordnetenhaus umschwenkt und den Gesetzesentwurf zu diesem Zeitpunkt annimmt).

Bei einem Volksentscheid sind alle wahlberechtigten Berlin aufgerufen, über das vorgeschlagene Gesetz abzustimmen. Bei einer einfachen Mehrheit der Stimmen ist der Volksentscheid erfolgreich. Gleichzeitig gibt es eine weitere Regel: Es müssen mindestens 25% der Wahlberechtigten für den Gesetzesentwurf votieren, was etwa 600.000 Stimmen entspricht. An dieser zweiten Grenze scheiterte der Volksentscheid zum Flughafen Tempelhof: Es waren einfach nicht genug Berliner zu den Urnen gekommen.

Wann findet der Volksentscheid statt?

Der Volksentscheid muss vier Monate nach einem erfolgreichen Volksbegehren umgesetzt werden. Es gibt allerdings eine Ausnahme. Mehr Demokratie e.V. schreibt: "Möchten die Initiatoren den Entscheid mit einer bevorstehenden Wahl koppeln, kann diese Frist auf bis zu acht Monate verlängert werden." Die Initiatoren von "Pro Reli" streben dies an: Sie wollen, dass über ihre Vorlage am 7. Juni entschieden wird, gemeinsam mit der Europawahl. Die Berliner Regierung lehnt das derzeit ab.

Mit ihrer Mitsprache-Euphorie verursachen die Berliner bei der mitregierende SPD-Fraktion leichte Ermüdungserscheinungen. Erst Tempelhof, dann Pro Reli, nun das Volksbegehren zum Rauchverbot, dann zu den Kitas. Wowereits Planungschef Böhning machte auf der SPD-Klausurtagung am vergangenen Sonntag den ernst gemeinten Vorschlag, zwei feste Abstimmungstage pro Jahr für Volksentscheide einzurichten, sozusagen "Tage der direkten Demokratie". Dann gebe es keinen Streit um den Termin, so wie jetzt bei Pro Reli. (jnb/mit ddp)

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