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Hier kocht die Chefin. Senatorin Lompscher (vorne) muss viele köchelnde Töpfe im Blick behalten – zu viele, sagt die Opposition.

© ddp

Katrin Lompscher: Krisenmanagerin in der Krise

Senatorin Katrin Lompscher hat im Umwelt- und Verbraucherschutz einige Probleme. Und Gesundheitspolitik findet kaum noch statt.

Von Sabine Beikler

Als Katrin Lompscher Ende 2006 ihr Amt als Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz antrat, lernte sie schnell, was Krisenmanagement heißt. Es war die Zeit, als fast täglich Gammelfleisch gefunden wurde. Mit ihrer anpackenden Art erhielt sie damals viel Anerkennung im Senat. Doch seitdem ist die Linkspolitikerin immer wieder in die Kritik geraten. Jüngste Beispiele: das umstrittene Klimaschutzgesetz, die Einführung des Sauberkeits-Smileys für Gaststätten ohne ausreichendes Personal für die Kontrollen oder der Streit um die Ladenöffnungen im Hauptbahnhof. Und bis zur Abgeordnetenhauswahl 2011 bieten sich weitere Angriffsflächen für die Senatorin.

Lompscher verwaltet ihren Bereich, sie ist keine Gestalterin. Die 48-jährige ehemalige Stadträtin ist eine erfahrene Verwaltungsfrau. Diese Erfahrung teilt sie mit Klaus Wowereit. Der Regierende kommt mit der Geradlinigkeit von Lompscher gut klar – und mit ihrer schnoddrigen Berliner Art, die ihm selbst zu eigen ist. Was ihn aber zunehmend ärgert, sind ihre abwartende, teils sture Argumentation und das Beharren auf ihrer Position. Ab und an fordert er sie freundlich, aber bestimmt auf, sich einer Sache unverzüglich anzunehmen. „Lompscher reagiert, wenn man sie an die Kandarre nimmt“, hört man aus Senatskreisen.

Im Senat gilt sie nicht als schwache Senatorin

Lompscher gilt im Senat nicht als schwache Senatorin: Sie hat Ideen, von denen sie aber viele nicht umsetzen kann. Als Senatorin steht sie nicht zur Disposition. Erstens will Wowereit bis zur Wahl den Senat nicht mehr umbilden, zweitens hätte ihre Partei auch keine Alternative zu ihr. Sie wird wegen ihrer hemdsärmeligen Art von den Genossen geschätzt, wenngleich Linke auch kritisieren, sie sei „ankündigungsstark und umsetzungsschwach“. Richtig genervt waren die Genossen von ihrem Umgang mit dem Klimaschutzgesetz. Sie habe zu wenig mit gesellschaftlichen Gruppen gesprochen, habe ihr Modell „durchdrücken“ wollen. Nur „unter Druck“ sei sie davon abgerückt, heißt es.

Das heftig umstrittene Klimaschutzgesetz dümpelt seit 2007 vor sich hin. Eine Allianz aus dem Umweltverband BUND, dem Mieterverein und der Industrie- und Handelskammer gab der Umweltsenatorin im Mai Nachhilfe. Laut einem Gutachten ist ein Stufenmodell für Immobilienbesitzer mit Grenzwerten für Heizenergiebedarf und CO2-Ausstoß rechtlich kein Problem. Das hatte Lompscher aber stets erklärt und auf einen festen Grenzwert beharrt. Jetzt hat sie den Gesetzesentwurf um einen Passus ergänzt, wonach die Kriterien für den Heizenergiebedarf und die anteilige Nutzung erneuerbarer Energien alle fünf Jahre verschärft werden können. Nach der Sommerpause soll das Klimaschutzgesetz endlich ins Abgeordnetenhaus eingebracht werden.

Lompschers Lieblingsthema ist der Verbraucherschutz

Die Opposition rechnet Lompscher an, dass die Umweltzone nach zuvor heftiger Debatte dann doch ohne organisatorisches Chaos eingeführt wurde und sie sich von ihrem klaren Nein zu einem Vattenfall-Kohlekraftwerk nicht abbringen ließ . Damit überzeugte sie sogar die Mehrheit der SPD.

Lompschers Lieblingsthema ist der Verbraucherschutz. Nach dem Gammelfleischskandal legte sie ein Memorandum zur Lebensmittelsicherheit vor, das unter anderem Kontrollen der Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämter festschreibt. Ein hehres Ziel, doch die Umsetzung funktioniert nicht. „Die Kontrolldichte ist nicht groß genug“, sagen Fachleute. Berlin ist laut Verbraucherschutzindex 2010 das Land mit den besten Ideen zum Verbraucherschutz, aber fast Schlusslicht bei den Kontrollen. Die Einhaltung des Nichtraucherschutzgesetzes, für das sie ebenfalls monatelang in der Kritik stand, wird zum Beispiel nicht in allen Bezirken überprüft, weil dafür das Personal fehlt. Bis Ende des Jahres will Lompscher berlinweit das dänische Smiley-System einführen: Lachende oder weinende Smileys sollen Lokale an ihrer Eingangstür platzieren dürfen, die Prüfergebnisse werden im Internet gelistet. Aber niemand weiß, wer die 60 000 Geschäfte, Imbisse und Restaurants kontrollieren soll.

Nach einem starken Start geriet sie immer wieder in die Kritik

Lompscher versteht die Einführung der Smileys als „präventives System“. Doch an die Umsetzung bis Endes Jahres glaubt sie selbst nicht mehr: „Es ist sehr schwierig, mit allen Akteuren einheitliche Kontrollstandards zu formulieren“, sagt sie. Die Bezirke aber hätten die Personalhoheit und „Verteilungsmöglichkeiten“, um Personal für Kontrollen freizusetzen.

Ein weiteres Problem ist die Verbraucherzentrale, die durch Managementfehler in Finanznot geraten ist. Lompscher erwartet, dass die Zentrale ihre Geldprobleme selbst löst. 718 000 Euro pro Jahr erhält die „unverzichtbare Institution“ vom Land, sagt Lompscher. Sie hat der Organisation Planungssicherheit bis 2013 gewährt und will 2011 „mobile Teams“ für wohnortnahe Informationen etablieren.

Lompschers größte Baustelle ist und bleibt die Gesundheitspolitik. Das wird im Senat auch so gesehen. Ihr Staatssekretär Benjamin Hoff kümmere sich eher um Grundsatzpapiere, statt Kärrnerarbeit zu leisten, heißt es. Deutlich wird die Opposition: „Die Senatorin hat sich aus diesem Bereich komplett verabschiedet“, heißt es unisono. Harsche Kritik über Lompscher („desinteressiert“) und ihre Verwaltung („überfordert“) hört man aus Krankenhaus-Verwaltungen und von Amtsärzten. Der öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) ist eine Mangelverwaltung: Das verbindliche Einladungswesen für die Vorsorgeuntersuchungen ab der U4 funktioniert nicht. Es fehlen Ärzte für rechtzeitige Schuleingangsuntersuchungen. Es fehlt Personal für den Kinderschutz, den Rot-Rot gesetzlich verabschiedet hat. Die ÖGD-Zielvereinbarung stieß auf massive Kritik bei Stadträten und Amtsärzten. Mindestens 2017 Stellen seien notwendig, forderten die Ärzte. Verabschiedet hatte Rot-Rot ein Konzept, wonach 1905 Stellen ab 2013 vorgesehen sind. Lompscher sieht zwar die Personalknappheit, sagt aber, dass der Einstellungsstopp aufgehoben sei und fast 100 Stellen neu besetzt worden seien. Die Frage sei, wie man die Personalausstattung „sichern“ könne. Von einer Aufstockung ist gar keine Rede.#

Als Fachsenatorin zeigt sie zu wenig Engagement

Schweigsam war die Gesundheitssenatorin, als es um die Zukunft der Charité ging. Sie saß zwar mit in der Arbeitsgruppe mit Wowereit, Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner und Finanzsenator Ulrich Nußbaum, doch überließ sie den Männern die Antworten: Das Uniklinikum behält seine drei Standorte und erhält für dringende Investitionen etwa 330 Millionen Euro. Im Gegenzug muss die Charité 500 ihrer 3200 Krankenhausbetten abbauen. Lompscher verweist bei der Charité strikt auf die Zuständigkeit von Zöllner. Doch als Fachsenatorin zeigt sie zu wenig Engagement für den Ausbau des Gesundheitsstandorts Berlin, übrigens auch ein rot-rotes Projekt.

Immer noch fehlt die Krankenhaus-Planung, die schon im Herbst 2009 vorliegen sollte. Lompscher sagt, der Plan sei derzeit „in Abstimmung“. Im Herbst soll jetzt die Planung vorliegen.

Nach der Sommerpause wird es auch Debatten geben über das Ladenöffnungsgesetz und den Kampf der Händler im Hauptbahnhof für die Sonntagsöffnung. Lompscher hat sich vehement gegen eine „Lex Hauptbahnhof“ als Ausnahme ausgesprochen. Ob sie sich in der Koalition damit durchsetzen kann? In der SPD ist man sich da nicht sehr sicher.

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