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© dpa

Plötzensee-Drogenskandal: Opposition hält Justizsenatorin für unfähig

Als Reaktion auf Drogenhandel in der Haftanstalt Plötzensee fordert die Opposition den Rücktritt von Gisela von der Aue. Die Justizsenatorin will stattdessen die Haftanstalt mit neuen Überwachungskameras und Stacheldraht absichern.

Die Chefs der Oppositionsfraktionen haben im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses den Rücktritt der Justizsenatorin gefordert. Gisela von der Aue fehle es offenbar an Problembewusstsein für „unerträgliche Zustände“ in der Jugendstrafanstalt Plötzensee, sagte CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger. Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann hielt der Senatorin vor, sie sei unfähig, die Probleme des Drogen- und Handy-Schmuggels in Plötzensee in acht Monaten zu lösen. Da könne sie nicht darauf verweisen, dass Berlin in vier oder fünf Jahren über eine neue, besser zu sichernde Haftanstalt verfügen werde. FDP-Fraktionschef Martin Lindner hielt von der Aue für „überfordert“.

Die drei Fraktionschefs hatten ausnahmsweise an der Sitzung des Rechtsausschusses teilgenommen, der sich gestern erstmals mit der Schmuggel-Problematik in Plötzensee befasste. In der Sitzung stellte von der Aue abermals – wie schon nach der Senatssitzung an Dienstag – dar, wie sie versucht hat, gegen nächtliche Wurfaktionen an der Mauer der Jugendstrafanstalt vorzugehen. Helfer einsitzender Straftäter haben monatelang immer wieder Päckchen mit Cannabis und Mobiltelefonen vom benachbarten Gelände einer Laubenkolonie auf das Anstaltsareal geworfen.

Nun will die Justiz möglicherweise auch die Kleingartenkolonie neben der Jugendstrafanstalt mit Videokameras überwachen. Die Justizsenatorin sagte gestern, darüber habe man erstmals mit einem Vertreter der Laubenkolonie gesprochen. Bislang habe man datenschutzrechtliche Probleme gesehen, doch jetzt hätten die Kleingärtner selbst diesen Wunsch geäußert. Zudem werde überlegt, nun doch Stacheldraht auf der Mauerkrone zu installieren, um die Würfe von Handys oder Drogen zu erschweren. Die Drogenproblematik sei seit zehn Jahren bekannt, die Jugendstrafanstalt habe dies „sehr ernst genommen“. Die Sicherheit sei laufend verbessert worden.

Scharf kritisierten die Oppositionsparteien CDU, Grüne und FDP das Krisenmanagement der Justiz in dem in der letzten Woche bekannt gewordenen Skandal um Drogenschmuggel und den Fluchtversuch in der Jugendstrafanstalt. Der CDU-Rechtspolitiker Sven Rissmann sprach von einem „Informationschaos“ und „anarchistischen Zuständen gleichermaßen in der Jugendstrafanstalt und der Justizverwaltung“. CDU–Fraktionschef Pflüger hielt ihr außerdem vor, den Rechtsausschuss bei einem Besuch in der Jugendstrafanstalt getäuscht zu haben. Wenn ihr die Personal- und Drogenprobleme in Plötzensee bekannt gewesen seien, hätte sie die Abgeordneten auffordern müssen, sich mit ihr gegen weiteren Personalabbau zu wehren. Außerdem frage er sich, was den Regierenden Bürgermeister am Dienstag dazu gebracht habe, „die Unwahrheit“ über verschärfte Sicherheitskontrollen zu sagen.

Grünen-Fraktionschef Ratzmann kritisierte den Auftritt der Senatorin im Rechtsausschuss so: „Es ist erschütternd, was Sie hier abgeliefert haben.“ Die Senatorin entgegnete, dass die Gitter, die im Oktober vor etwa 100 Zellenfenstern montiert werden sollen, Spezialanfertigungen seien, die nicht schneller beschafft werden konnten. „Die können wir nicht im Baumarkt kaufen“, sagte von der Aue. Zwei Gitter seien gestern testweise montiert worden, hieß es.

Von der Aue informierte den Rechtsausschuss, dass im Jahr 2006 genau 233 Gramm Cannabis an der Gefängnismauer gefunden wurden, in diesem Jahr waren es bislang 405 Gramm. Harte Drogen oder Waffen seien nicht gefunden worden. Bei etwa jeder fünften der gut 2000 Urinkontrollen im vergangenen Jahr bei Gefangenen seien Drogen nachgewiesen worden, in 95 Prozent der Fälle sei Cannabis konsumiert worden.

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