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PRO & Contra: Soll es eine Sozialquote für arme Schüler geben?

In Berlin gibt es noch immer Schulen, die nur wenig mit Hartz-IV-Familien zu tun haben. Gymnasien in Problemquartieren hingegen kommen leicht auf einen Anteil, zwischen 30 und 50 Prozent. Das soll nach dem Willen des Senats anders werden.

PRO

Arm geboren ist halb verloren. Diese Diagnose zur Chancengerechtigkeit des deutschen Schulsystems liegt seit Jahren vor und ist mehrfach bestätigt worden. Nur behandeln mochte sie bisher niemand. Endlich haben sich die Linken ihrer angenommen und erwärmen nun Teile der SPD dafür. Zum Glück, denn hinter der Diagnose verbirgt sich folgende Ungerechtigkeit: Wessen Eltern kein Geld für Nachhilfe und kein Talent zum Bezirzen der Lieblingsschule hatten, bei dem wird es nichts mit Abitur und Studium.

Das Kind darf sich nach der zehnten Klasse bestenfalls mit den Abiturienten um eine Lehrstelle balgen. Wenn das schiefgeht – und es geht oft schief –, gibt’s irgendwann Hartz IV, und wenn das Kind selbst Kinder hat, beginnt der Ärger von vorn. Hunderttausende Kinder sind so bereits auf der Strecke geblieben. Dagegen hilft eine Sozialquote, die zwei Bedingungen erfüllen muss: Erstens dürfen nicht jene bestraft werden, deren Eltern für nur wenig mehr als den Hartz-IV-Satz schuften gehen. Und zweitens muss auch Leistung zählen. Wenn das erfüllt ist, können die sozial schwachen Kinder den Teufelskreis verlassen. Sie können aufsteigen in den Kreis der Bildungsbürgerkinder – und werden von denen mitgenommen auf dem Weg nach oben. Der Mensch wächst bekanntlich mit seinen Aufgaben. Man muss ihn nur wachsen lassen. Stefan Jacobs

CONTRA
Seltsam, worauf sich die SPD bildungspolitisch einlassen will: Als ob eine festgelegte Quote denen helfen würde, die wegen ihrer Herkunft schlechtere Chancen für das Abitur haben. Wie hoch soll die „Sozialquote“ denn sein? Fünf oder 15 oder 35 Prozent? Wer die Quote wie auch immer festlegt – er wird dabei so willkürlich verfahren müssen wie Oskar Lafontaine damals, als er beschloss, wer zu den „Besserverdienenden“ gehörte und entsprechend mehr Steuern zahlen sollte.

Davon abgesehen, haben Quoten niemals irgendwelche Nachteile ausgeglichen. Weder Renate Künast noch Angela Merkel verdanken ihre Karrieren einer Quote. Arme SPD, dass sie sich von ihrem Koalitionspartner in einen neuen Regelungswahn hineintreiben lässt. Dabei war die SPD früher mal die Partei derer, die aufsteigen wollten, die sich aus schwierigsten Lebensumständen und Benachteiligungen herausarbeiten wollten – durch Bildung und Leistung. Klaus Wowereit ist nicht über Quoten zum Regierenden Bürgermeister aufgestiegen.

Nur die Partei, in der man glaubt, man könne Gerechtigkeit von Staats wegen herbeiführen und -quotieren, die Linke, ignoriert, dass Bildungs- und Aufstiegswille nicht verordnet werden können. So wenig wie die Quote für das Gymnasium braucht man Sozialquoten für das Management öffentlich-rechtlicher Betriebe oder den Senat. Werner van Bebber

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