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Wiedervereinigung: Einheit und Freiheit – monumental betrachtet

Wo soll es stehen? An was soll es erinnern? Wen soll es ansprechen? Nachdenken über ein Denkmal, das es noch nicht gibt.

Zum 17. Mal haben die Deutschen gestern der durch die friedliche Novemberrevolution 1989 wiedergewonnenen Einheit gedacht. Ob viele unter den Zehntausenden, die in Berlin unterwegs waren, ein Freiheits- und Einheitsdenkmal vermisst haben? Für die „Deutsche Gesellschaft“, DG, eine überparteiliche Bildungsorganisation, ist die Frage beantwortet. Ein solches Denkmal soll gebaut werden. Aber das ist so ziemlich das einzig Sichere an dem Projekt, und deshalb veranstaltete die DG jetzt bereits zum dritten Mal ein Hearing zum Thema.

Rainer Eppelmann, DDR-Bürgerrechtler, Pfarrer, Verteidigungsminister in der frei gewählten, der letzten DDR-Regierung und heute Vorsitzender der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED- Diktatur, erinnerte in der Nikolaikirche daran, dass es bereits einen inoffiziellen Wettbewerb unter Studierenden zu diesem Thema gegeben habe. Die 50 Einsendungen – teils verblüffend, teils irritierend, so Eppelmann – werden am 5. November präsentiert. Das Ergebnis kann nicht verwundern, fehlen doch bislang alle Vorgaben über das Thema hinaus. Eppelmann benannte sie: Was soll das Denkmal erreichen? Soll es den Wert der Freiheit würdigen, die Fantasie beflügeln, Identität stiften, nur das Positive benennen oder auch der Opfer gedenken? An wen wendet sich schließlich das Denkmal, nur an die Deutschen oder an alle Nationen Europas, denen die Umbrüche des zerfallenden Ostblocks die Freiheit brachten? Soll es Inschriften tragen, wenn ja, in welchen Sprachen? Schließlich: Wer darf sich am Wettbewerb beteiligen, soll er national oder international ausgelobt werden? Und vor allem: Wer schreibt ihn aus? Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident, die Deutsche Gesellschaft als zivilgesellschaftliche Organisation immer dabei?

Die Diskussion verharrte schließlich intensiv an der Standortfrage – irgendwo zwischen Brandenburger Tor und Alexanderplatz wohl. Für letzteren votierte die ehemalige Senatorin Lore-Maria Peschel-Gutzeit. Hermann Rudolph, Herausgeber dieser Zeitung, erwärmte sich für einen Reichstags-nahen Standort. Der Sockel des Kaiserdenkmals vor der Schlossfreiheit fand Befürworter, schließlich ein Platz nahe der Spree, den ehemaligen Mauerverlauf überspringend.

Da ist noch viel zu bereden, bevor auch nur ein offizieller Wettbewerb in greifbare Nähe rückt. Entscheidend sei die Freiheit, mahnte die Ex-Senatorin, die sei international, die Einheit aber lediglich die Frucht nationalen Strebens. Ob man da trennen kann, schien dem Publikum nicht sicher. In der Tat: Wo beginnt das Freiheitsstreben, das ein solches Denkmal zitieren müsste? Im Juni 1953 in Berlin? 1956 in Ungarn? 1968 in Prag? Auf der Danziger Leninwerft? Mit dem Europafest im ungarischen Sopron? Die Leipziger Montagsdemonstration gehört doch wohl dazu, die Gethsemanekirche in Berlin, die Liedermacher Bettina Wegner und Wolf Biermann, die Million Menschen am 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz. Und gäbe es deutsche Freiheit und Einheit ohne Michail Gorbatschow?

Fragen über Fragen. Noch eines wurde deutlich – die nachwachsenden Generationen sind zu überzeugen, dass Deutschland dieses Denkmal braucht. Die Älteren – sie dominierten an diesem Abend – bedürfen eines besonderen Ortes des Erinnerns nicht, denn für sie ist jeder Meter zwischen Brandenburger Tor und Schlossplatz geschichtsgetränkt. Wenn dieses Denkmal gebaut wird, dann für die Jugend. 

Gerd Appenzeller

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