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Auf diesem Parkplatz zwischen Bundesallee und Trautenaustraße soll die Tat ihren Ausgang genommen haben.

© Polizei

Landgericht Berlin: Trio nach tödlichem Überfall in Wilmersdorf vor Gericht

Die Betreiberin eines Spätkaufs in Berlin-Wilmersdorf wurde überfallen, der Sohn wollte ihr helfen und musste sterben. Ein Mann und zwei Frauen stehen jetzt vor Gericht.

Eine Schwester weinte, ein Bruder hielt ihre Hand, der Vater des Getöteten musterte die drei Angeklagten. Vor acht Monaten war Duc T., mit 21 Jahren jüngster Sohn der Familie, erstochen worden. Er war auf die Straße gerannt, weil er Schreie seiner Mutter, damals Betreiberin eines Spätkaufgeschäfts in Wilmersdorf, gehört hatte. Kurz darauf lag der junge Vietnamese tot auf der Straße. Umgebracht durch einem Stich in den Hals. „Das war nie Absicht“, erklärten am Montag zwei mutmaßliche Helferinnen vor dem Berliner Landgericht.

Von fünf Tätern geht die Anklage aus. Drei von ihnen stehen nun vor einer Jugendstrafkammer. Der 23-jährige Hussein R. gilt als „Initiator“ des Überfalls. Ihm wird versuchte besonders schwere räuberische Erpressung mit Todesfolge vorgeworfen. Irem E. und Marilyn Y., zwei 19- und 18-jährige Frauen, wird Beihilfe vorgeworfen. Zwei Haupttäter sind noch flüchtig.

Ein Trio war bisher nicht durch Gewalttaten aufgefallen. Hussein R. hat die Fachhochschulreife, Irem E. suchte einen Ausbildungsplatz, Marilyn Y. ist angehende Kauffrau. R. saß am Abend des 5. November hinter dem Steuer eines Audi Q5. Ein nobler Wagen, angemietet für die Hochzeit seines Bruders, so ein Prozessbeteiligter. Eine Spritztour sollte es werden. Nichts Genaues sei geplant gewesen.

Einer der Beschuldigten hätte längst abgeschoben werden können

Sie hielten an einem Spätkauf. Zufällig war es jener, den damals Hoan N. führte. Die 53-Jährige war allein im Laden, als ein junger Mann Getränke kaufte. Kurz darauf habe Hussein R. die Idee von einem Überfall geäußert, erklärten die angeklagten Frauen. „Weil die Frau klein und zierlich war.“ Die Vietnamesin habe sich nach seiner Schilderung langsam bewegt. Und weil die Kasse defekt war, habe in ihrer Jackentasche „voll viel Geld gesteckt“.

Hussein R. telefonierte, schilderten Irem E. und Marilyn Y. vor Gericht. „Ich habe es zuerst nicht ernst genommen und hielt es für einen Spaß“, sagte die 18-Jährige. Kurz darauf holten sie zwei Männer ab. Darunter Mahmut A., vielfach vorbestraft seit früher Jugend. Für den damals 20-jährigen Türken habe eine „vollziehbare Ausreisepflicht“ bestanden, hieß es am Rande des Prozesses. Er hätte weit vor dem Verbrechen abgeschoben werden können.

Mahmut A. wurde laut Ermittlungen als einer angeheuert, der in den Laden geht. Zur Verstärkung habe Hussein R. auch noch Moussa E. aus Wedding in den Q5 geladen. Sie hätten in der Nähe des Spätkaufs in der Bundesallee geparkt, so die Anklage. Hussein R. habe hinterm Steuer gesessen und auf die Rückkehr von A. und E. gewartet. Auch die Frauen sollten sich nützlich machen. „Auf Weisung von R. stiegen sie aus, um nach Videokameras im Umfeld des Tatortes Ausschau zu halten“, heißt es weiter in der Anklage.

Die Frau wollte ihr hart erarbeitetes Geld nicht einfach hergeben.

Familie T. wohnte nicht weit entfernt vom Laden, in dem Mutter und Vater arbeiteten. Die 53-Jährige hatte gesundheitliche Probleme hinter sich. Doch sie schaffte den Alltag im Spätkauf. Es war 22.45 Uhr, als sie ihr Geschäft verließ. An ihrer Haustür soll A. vor ihr aufgetaucht, sie mit einem langen Messer bedroht haben. E. habe sich absichernd in der Nähe aufgehalten.

Die Frau aber wollte ihr hart erarbeitetes Geld nicht einfach hergeben. Sie schrie. Sie wusste, dass ihr Jüngster zu Hause war. Duc T. hörte die Mutter und sprang auf. Barfuß sei er an jenem Novemberabend auf die Straße gelaufen. Er hielt den Angreifer fest. Doch der erhielt laut Ermittlungen von Moussa E. Unterstützung und kam frei.

Der junge Vietnamese wollte entkommen. Er rannte über einen Parkplatz. Die mutmaßlichen Räuber, die ohne Beute waren, seien ihm gefolgt. A. soll ihm „in Tötungsabsicht“ einen gezielten Stich in den linken Halsbereich versetzt haben. Duc T. verblutete.

Warum sie den Überfall zuließen und sogar halfen? „Ich dachte zuerst, es wäre nur ein Spaß“, sagte die 18-Jährige. Dann sei besprochen worden, dass es „nur ein Abziehen“ werden würde. „Von einer Waffe war nicht die Rede, von Handgreiflichkeiten insgesamt nicht.“ Beide Frauen sagten: „Hussein hatte versprochen, dass wir uns hinterher einen schönen Abend machen.“ Als Mahmut A. mit blutiger Kleidung und einem Messer in der Hand zurückkehrte, habe er gelacht. „Wie ein Psychopath.“

Für Familie T. könnten „die Umstände katastrophaler nicht sein“, sagte ein Anwalt der Nebenkläger. Der jüngste Sohn tot, die Mutter, die eigentlich überfallen werden sollte, liege nach einem weiteren Schlaganfall auf einer Pflegestation. Das grausame Verbrechen habe auch sie zerstört. Der Prozess geht am Donnerstag weiter.

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