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AfD-Landeschef Andreas Kalbitz und Linke-Spitzenkandidat Sebastian Walter.

© Reuters / dpa

Als „bayerischer Neonazi“ tituliert: AfD-Politiker Kalbitz geht gegen Wahlspot der Linken vor

Brandenburgs Linke strahlt im Wahlkampf-Endspurt einen neuen Film aus und bezeichnet AfD-Landeschef Kalbitz als Neonazi. Der schaltet einen Anwalt ein. Warum?

Auf den letzten Metern ihres Landtagswahlkampfes hat sich die Brandenburger Linke etwas besonderes einfallen lassen. Am Donnerstag hatte die Partei noch einmal einen Sendeplatz im RBB-Fernsehen für ihren Wahlkampfspot. Doch anstatt ihren üblichen Film zu zeigen, war nur Spitzenkandidat Sebastian Walter zu sehen. Auch beim Kurznachrichtendienst Twitter verbreitete die Linke den Film, er ist knapp eine Minute lang.

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Doch nun hat die Partei Ärger mit Andreas Kalbitz, der Landesparteichef und Spitzenkandidat der AfD hat seinen Anwalt eingeschaltet und geht gegen den Film vor – und gegen die Linke und ihren Spitzenkandidaten Walter.

„Deutschland ist nicht mehr sicher und schuld daran ist die AfD“, sagte Walter in dem Film. Darin erinnert der Linke-Politiker an den Mord an den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke durch einen Neonazi im Juni: „Er war ein Feind der AfD“, sagt Walter in dem Film. Die AfD habe Deutschland eine Sprache beschert, „die entmenschlicht und uns spaltet“. Gewalt fange mit Sprache an, auf Hassmails folgten Mord. Kalbitz sei ein „bayerischer Neonazi“.

„Und die AfD wird in Brandenburg geführt von Andreas Kalbitz, einem Münchener, dem die CSU und die Republikaner nicht rechts genug waren, der Vorsitzender eines SS-Traditionsvereins war und irgendwann nach Brandenburg gekommen ist. Hier umgibt er sich mit Reichsbürgern und Menschen, die sich bewaffnen und einen gewaltsamen Umsturz planen.“

Am Donnerstag ist deshalb der Anwalt von Kalbitz aktiv geworden. Sowohl der Landesverband der Partei Die Linke als auch Sebastian Walter haben Post bekommen – per E-Mail. Kalbitz sieht sich in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt. Der Anwalt verlangte von Walter und von der Linkspartei, dass Twitter-Video zu löschen. Zudem sollen beide Aussagen künftig unterlassen und öffentlich widerrufen.

Andreas Kalbitz im Wahlkampf.
Andreas Kalbitz im Wahlkampf.

© John Macdougall/AFP

Es sei unwahr, erklärte der Anwalt des AfD-Landesvorsitzenden, dass Kalbitz „Vorsitzender eines SS-Traditionsvereins war“ und sich mit „Reichsbürgern und Menschen“ umgibt, die „sich bewaffnen und einen gewaltsamen Umsturz planen“.

Tatsächlich übernahm Kalbitz 2014 den Vorsitz eines Vereins, gegründet 1985 von einem  SS-Hauptsturmführer der Leibstandarte Adolf Hitlers, auch NPD-Mitglieder waren im Vorstand. Kalbitz findet, dass man nicht von einem Traditionsverein der SS sprechen könne, weil er nicht in der Tradition der SS stehe, noch deren Ziele verfolge.

Den "bayerischen Neonazi" lässt Kalbitz durchgehen

Weder Kalbitz „noch der Verein verfolgen Ziele der SS, noch führen sie Aktivitäten durch, die an die Aktivitäten der SS angelehnt sind, noch huldigen oder glorifizieren sie die SS.“ Schließlich sei die Behauptung, Kalbitz umgebe sich mit Menschen, die sich bewaffnen und einen gewaltsamen Umsturz planen, „schlicht absurd“.

Linke-Spitzenkandidat Walter sagte dem Tagesspiegel, seine Partei werde nicht auf die Forderungen des Kalbitz-Anwaltes eingehen. „Tag für Tag treten die tiefen Verstrickungen in den Nazisumpf von Andreas Kalbitz immer mehr zutage. Griechischer Wein mit Nazifreunden unter der Hakenkreuzfahne ist nur die neueste Enthüllung.“

Kathrin Dannenberg und Sebastian Walter, beide Spitzenkandidaten von Die Linke für die brandenburgische Landtagswahl 2019.
Kathrin Dannenberg und Sebastian Walter, beide Spitzenkandidaten von Die Linke für die brandenburgische Landtagswahl 2019.

© Christoph Soeder/dpa

Damit spielte Walter auf die Berichte der vergangenen Tage und Wochen an. Denn je näher die Landtagswahl rückte, desto dichter kamen die Einschläge. Bislang schadeten dem Brandenburger AfD-Landeschef Kalbitz Enthüllungen über seine Verstrickungen in die rechtsextremistische Szene kaum.

„Auch wenn Rechte den Rechtsweg beschreiten: Für Die Linke ist völlig klar, dass wir gegenüber solchen Leuten nicht nachgeben werden, niemals“, sagte Walter. „Es ist bezeichnend, dass Kalbitz zwar meine Aussagen zu seinen Nazivereinen und seinem Umfeld verbieten lassen will, aber keinerlei Anstoß daran nimmt, dass ich ihn als das bezeichnet habe, was er ist: ein ‚bayrischer Neonazi‘.“

Die Linke will auf die Forderung nicht eingehen

Die Brandenburger Linkspartei und ihr Spitzenkandidat Walter lehnten es ab, die Unterlassungserklärung abzugeben. Die von Kalbitz' Anwalt gesetzte Frist lief am Freitag um 15 Uhr ab. Das Video ist noch immer bei Twitter abrufbar. Es bleibt abzuwarten, ob Kalbitz nun die Gerichte einschaltet. Grundsätzlich ist bei Äußerungen im Wahlkampf etwas mehr erlaubt zwischen den politischen Kontrahenten - im politischen Meinungsstreit darf es auch mal ruppig zugehen.

Dazu gibt es auch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, doch die führt der Anwalt von Kalbitz gar nicht ins Feld. Einschlägig ist hier ein Beschluss aus dem Jahr 1982. Ein SPD-Politiker hatte Ende der 1970er-Jahre im Wahlkampf erklärt, die CSU sei „die NPD von Europa“. Die CSU ging dagegen vor, ließ die Äußerung verbieten und hatte in der Justiz des CSU-regierten Freistaats damit durch alle Instanzen Erfolg.

Die Barette der Verfassungsrichter liegen vor einer Verhandlung aufgereiht auf dem Tisch.
Die Barette der Verfassungsrichter liegen vor einer Verhandlung aufgereiht auf dem Tisch.

© Uli Deck dpa

Erst Karlsruhe gab schließlich dem SPD-Politiker recht. Die Bundesverfassungsrichter entschieden, dass „Polemik gegen den politischen Gegner in der Absicht, sich einprägsam von ihm abzugrenzen, wofür allgemeine, unsubstantiierte Formeln als besonders geeignet angesehen werden, Grundformen jedes Wahlkampfes sind, die prinzipiell in den Bereich des Meinungsmäßigen und damit in den Schutzbereich“ der Meinungsfreiheit nach dem Grundgesetz gehören.

Der politische Meinungskampf lässt Spielraum

Gerade im offenen Meinungskampf müsse die freie Rede zulässig sein muss, da ansonsten „die Meinungsfreiheit, die Voraussetzung eines freien und offenen politischen Prozesses ist, in ihrem Kern betroffen wäre.“ Dies gelte im besonderen Maße, wenn es sich um Auseinandersetzungen im Wahlkampf handelt, „also einer Situation, in welcher der politische Meinungskampf auf das höchste intensiviert ist“.

Hinzu kommt die im Grundgesetz festgelegte Rolle politischer Parteien: Sie „wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit“. Dies verstärke den Schutz der Meinungsfreiheit. Gegen das Äußern einer Meinung dürfe im Wahlkampf nur in äußersten Fällen eingeschritten werden, urteilten die Verfassungsrichter.

Weitere Texte zu Kalbitz und der Wahl in Brandenburg:

Statt dieses maßgeblichen Urteils führt der Anwalt von Kalbitz eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2005 über „zivilgerichtliche Verurteilungen zu Widerruf und Unterlassung von Äußerungen im geschäftlichen Verkehr“ an. Von Wahlkampf also keine Spur. Auch nicht in einem anderem vom Kalbitz-Anwalt angeführten Beschluss, der 2016 auf Beschwerde eines Mediziners und Dopingexperten fiel. Ihm hätte von anderen Gerichten nicht einfach verboten werden können, sich über einen bestimmten Dopingfall aus der DDR zu äußern, Karlsruhe sah die Meinungsfreiheit des Mediziners verletzt. In der anderen Entscheidung, die der Anwalt anführt, geht es um den SPD-Politiker Manfred Stolpe.

Der CDU-Politiker Uwe Lehmann-Brauns hatte sich im Frühjahr 1996 in einer ZDF-Sendung geäußert. Es ging um die bevorstehende Volksabstimmung über eine Länderfusion von Berlin und Brandenburg. Auch die Berliner CDU wollte die Fusion und warb dafür, Lehmann-Brauns jedoch nicht.

Uwe Lehmann-Brauns im Jahr 2015.
Uwe Lehmann-Brauns im Jahr 2015.

© Doris Spiekermann-Klaas

Jedenfalls sagte der CDU-Politiker damals, Stolpe sei, "wie wir alle wissen", als "IM Sekretär über 20 Jahre im Dienste des Staatssicherheitsdienstes tätig" gewesen. Es sei für ihn eine unerträgliche Vorstellung, dass Stolpe womöglich nach der Fusion von Berlin und Brandenburg Regierungschef eines gemeinsamen Landes werden könnte. Und das von Stolpe regierte Nachbarland sei doch noch immer "eine kleine DDR".

Das Bundesverfassungsgericht hob 2005 Berliner Urteile auf, die Lehmann-Brauns diese Äußerung erlaubt und Stolpes Klagen zurückwiesen haben. Erst Karlsruhe fand dann, die Äußerungen gegen Stolpe seien nicht durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Die Richter wollten in ihrem Beschluss in den Worten von Lehmann-Brauns auch keine Äußerung im politischen Meinungskampf sehen. Auch von Wahlkampf war damals keine Rede.

Kalbitz will sich nicht von sich selbst distanzieren

Zurück zu Kalbitz: Der wiegelte bei Neonazi-Vorwürfen in den vergangenen Jahren stets ab, wollte sich nur mal umgesehen haben, wie etwa beim verbotenen Neonazi-Verein „Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ). Hinzu kommt die Mitarbeit in Vereinen, die von SS-Funktionären gegründet wurden. Distanzieren wollte sich Kalbitz von seiner Biografie nie. Das seien alles alte Kamellen, aber nun mal Teil seiner Biografie - er könne sich ja nicht von sich selbst distanzieren.

Immer mehr zeigt sich: Es waren keine Einzelfälle, keine Zufälle. Für den Rechtsextremismus-Forscher Gideon Botsch vom Moses Mendelssohn Zentrum in Potsdam hat Kalbitz schlicht eine rechtsextreme Biografie.

Gideon Botsch, Rechtsextremismusforscher am Moses Mendelssohn Zentrum in Potsdam.
Gideon Botsch, Rechtsextremismusforscher am Moses Mendelssohn Zentrum in Potsdam.

© promo / Karla Fritz, Universität Potsdam

Den neuesten Beleg dafür lieferte der „Spiegel“. Demnach hat Kalbitz mit NPD-Funktionären an einem Neonazi-Aufmarsch in Athen teilgenommen. Das belegt ein Dokument aus der deutschen Botschaft, verfasst von einer Verbindungsbeamtin des Bundeskriminalamtes (BKA), und wird von Kalbitz eingeräumt.

Es ging um einen Marsch der griechischen „Patriotischen Allianz“ um die neonazistische Partei „Goldene Morgenröte“. Kalbitz hat mit 13 anderen deutschen Rechtsextremisten in einem Hotel gewohnt. Auf dem Balkon sei eine Hakenkreuzflagge aufgehängt worden. Die Polizei rückte an; in der Nacht soll es einen Angriff mit Molotow-Cocktails auf das Hotel gegeben haben.

"In der nachträglichen Bewertung" war Kalbitz doch nicht angetan

Zu der Gruppe in dem Hotel gehörten auch der damalige NPD-Vorsitzende Udo Voigt und ein Mann, gegen den später ermittelt wurde. Er wurde verdächtigt, einen „zweiten Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) aufzubauen“, schreibt „Spiegel Online“ Zwei andere seien als rechtsextreme Söldner in Kroatien gewesen, ein weiterer verdiente über Jahre sein Geld mit Rechtsrock-Tonträgern.

Auf Spiegel-Anfrage gestand Kalbitz: „Es ist zutreffend, dass ich vor 12 Jahren in Athen war.“ Zu dem "Brandanschlag und Vorgängen darum herum" könne er aber nichts sagen, da er nicht zugegen gewesen sei. Er sei "zu keinem Zeitpunkt Mitglied der NPD" gewesen, habe sich dort nicht "engagiert" und "keinerlei persönlichen Kontakt".

Den Neonazi-Aufmarsch spielt Kalbitz heute herunter: „In der nachträglichen Bewertung dieser Veranstaltung war diese nicht dazu angetan, mein weiteres Interesse oder Zustimmung zu wecken, weder in der politischen Zielsetzung noch in der Zusammensetzung der Teilnehmer.“ Und er sagt: "Zu dem linksextremistischen Brandanschlag und Vorgängen wie irgendwelcher Fahnen darum herum kann ich nichts sagen, da ich nicht zugegen, geschweige denn beteiligt war." Experten finden das wenig glaubhaft.

Wie ernst Kalbitz die neuesten Enthüllungen selbst einstuft, zeigt diese Aussage nach dem Bericht über seine Teilnahme am Neonazi-Aufmarsch in Athen: "Unbenommen von mir offen eingeräumter Bezüge in der Vergangenheit stehe ich auch aus gewonnenen persönlichen Erfahrungen und Rückschlüssen, wie bereits mehrfach klar geäußert, - wie die gesamte AfD - unverrückbar auf dem Boden des Grundgesetzes, auch in der konsequenten Distanzierung zu rechtsextremistischen Bestrebungen."

Auch die Identitäre Bewegung wird vom Verfassungsschutz beobachtet und als rechtsextremistisch eingestuft. Mehrere Mitarbeiter der Fraktion haben klare Bezüge zu den Identitären, einer wurde sogar Grundsatzreferent. Einen anderen will Kalbitz nun offenbar loswerden. Dem RBB sagte Kalbitz nun, einem der Mitarbeiter sei zum 1. Oktober gekündigt worden. Gründe wollte er dem Sender zufolge dafür nicht nennen.

Verfassungsschutz schaut genau auf die AfD-Fraktion

Es soll sich laut RBB um Paul M. handeln. Er wird im Jahresbericht des brandenburgischen Verfassungsschutzes als rechtsextremer Liedermacher aufgeführt, der Künstlername lautet: „Bartender IB“. Es soll früher im Umfeld des NPD-Nachwuchses aktiv gewesen sein. In der AfD-Fraktion war er bislang in der Pressestelle tätig, im aktuellen Landtagswahlkampf der AfD filmt er die Auftritte von Kalbitz.

Erst im Juli hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz die Identitären als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung“ eingestuft und zum Beobachtungsobjekt erklärt. Extremistische „sind Aktivitäten mit der Zielrichtung, die Grundwerte der freiheitlichen Demokratie zu beseitigen“. Es geht also um Umsturz. 

Selbst der brandenburgische Verfassungsschutz äußerte sich besorgt darüber, dass Identitäre Mitarbeiter der AfD im Landtag sind. Denn deren Mitarbeit konnte neues Futter liefern, um auch die AfD zu beobachten.

Anhänger der rechtsradikalen "Identitären Bewegung" bei einer Demonstration 2017 in Berlin.
Anhänger der rechtsradikalen "Identitären Bewegung" bei einer Demonstration 2017 in Berlin.

© Paul Zinken/dpa

Kalbitz war Ende der 1980er Jahre zunächst CSU-Mitglied, wechselte dann zu den Republikanern. Anfang der 1990er Jahre war er im Witikobund, einem Vertriebenen-Verband, gegründet von NSDAP- und SS-Funktionären, und tauchte nach 2000 bei der von Neonazis dominierten „Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland“ (JLO) auf.

2014 übernahm Kalbitz den Vorsitz des besagten und von Linke-Kandidat Walter erwähnten Vereins, dessen Gründer SS-Hauptsturmführer der Leibstandarte Adolf Hitlers war. Nach Medienberichten legte Kalbitz den Vorsitz 2015 nieder. „Egal, wo er politisch aufgetreten ist, es war immer in dem Flügel, der radikaler ist, immer rechtsaußen, auch jetzt in der AfD“, sagte Experte Botsch.

Kalbitz ist ein führender Vertreter des völkisch-nationalistischen Flügels der Partei um Thüringens Landeschef Björn Höcke. Der Verfassungsschutz hat den Flügel als Verdachtsfall eingestuft, weil Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorliegen.

Björn Höcke (links), AfD-Chef in Thüringen und Andreas Kalbitz beim Wahlkampfabschluss am Freitag.
Björn Höcke (links), AfD-Chef in Thüringen und Andreas Kalbitz beim Wahlkampfabschluss am Freitag.

© Patrick Pleul/dpa

Obendrein kam nun auch ein Lügenverdacht gegen Kalbitz auf.  Es geht um Kalbitz’ Besuch eines Pfingstlagers der „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) im Jahr 2007, die zwei Jahre später vom Bundesinnenministerium wegen Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus verboten wurde. Der Besuch dort wurde 2018 durch einen Bericht des RBB publik.

„Ich war als Gast dort, mutmaßlich, um mir das mal anzuschauen“, hatte Kalbitz dazu 2018 erklärt. Doch vor eineinhalb Wochen hatte der Tagesspiegel den AfD-Politiker gefragt: Ob er ausschließen könne, dass er selbst auf weiteren Lagern oder Veranstaltungen der HDJ teilgenommen habe. Kalbitz erklärte, dass er nicht auf weiteren HDJ-Lagern war.

Lager-Besuche bei den Heimattreuen und eine E-Mail von Horst Mahler

Genau das Gegenteil soll der Fall sein, berichtete nun der RBB. Demnach soll Kalbitz im Juli 1993 an einem sogenannten Sommerlager des rechtsextremen Vereins „Die Heimattreue Jugend“ – kurz DHJ – in der Nähe des Dorfes Mittelsömmern in Thüringen teilgenommen haben. Es handelt sich um denselben Verein, der hatte sich nur später in HDJ umbenannt.

Das Sommerlager der Rechtsextremen im Jahr 1993 soll von der Polizei observiert und durchsucht worden sein. Aus den Unterlagen des Verfassungsschutzes geht laut RBB-Bericht hervor, dass die Polizei auch die Personalien von Kalbitz notiert hat.

Und vor einer Woche wurde durch den „Spiegel“ bekannt, dass der HDJ-Führer Sebastian Räbiger nach dem Verbot des Vereins eine E-Mail an sieben Empfänger schrieb, darunter waren Kalbitz, aber auch Vertreter der HDJ und der NPD. Die HDJ war eine verschworene Gemeinschaft, zahlreiche Führungskader waren in Brandenburg aktiv, wo Kalbitz seit 2006 lebt.

Außerdem verschickte Horst Mahler am 10. August 2008 eine E-Mail an 276 Adressen – auch an Kalbitz.  Der Rechtsextremist Mahler hatte die NPD als Anwalt im Verbotsverfahren vertreten. In der E-Mail berichtete Mahler vom ersten Verhandlungstag am Landgericht Potsdam, dort wurde er ein halbes Jahr später wegen Volksverhetzung zu zwölf Jahren Haft verurteilt.  Er sitzt trotz schwerer Krankheit noch immer ein – in Brandenburg.

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