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Berlin: Langsame Annäherung

Es war keine Liebe auf den ersten Blick: Als das Emigrantenkind Sarah 1954 von London nach Berlin verfrachtet wird, ist die fremde Stadt mit ihren "grimmig-grauen Häusern in löchrigen Staßen", in denen die Menschen ihr "mufflig" erscheinen, so gar nicht liebenswert. Wie aus Ablehnung Liebe werden kann, erzählt Sarah Haffner in ihrem neuen Buch in vielen Geschichten.

Es war keine Liebe auf den ersten Blick: Als das Emigrantenkind Sarah 1954 von London nach Berlin verfrachtet wird, ist die fremde Stadt mit ihren "grimmig-grauen Häusern in löchrigen Staßen", in denen die Menschen ihr "mufflig" erscheinen, so gar nicht liebenswert. Wie aus Ablehnung Liebe werden kann, erzählt Sarah Haffner in ihrem neuen Buch in vielen Geschichten. Die Tochter des Publizisten Sebastian Haffner gewöhnt sich "notgedrungen an die patzige Art der Berliner" und lernt sogar, ihre Direktheit schätzen.

Seit vierzig Jahren lebt die Malerin nun in derselben Wohnung in der Uhlandstraße. "Sofern ich mich irgendwo zu Hause fühlen kann, dann in Berlin", sagt sie heute. Als einzige nicht-katholische Schülerin fällt sie bereits in einer englischen Klosterschule auf, dann kommt sie mit ihren mangelhaften Deutschkenntnissen in der Lankwitzer Oberschule wieder ins Abseits. Lange lebt sie damit, nicht "dort hinzugehören, wo ich gerade bin". Obwohl der Name des Vaters in dem ganzen Buch nicht erwähnt wird, ist sein Einfluss auf ihr ganzes Leben offensichtlich. Auf ihre schwierige Vaterbeziehung angesprochen, antwortet sie, dass sie seinem traditionellen Frauenbild "ganz und gar nicht" entsprochen habe. Das Schicksal ihrer jüdischen Mutter hat Sarah hellhörig gemacht, immer war sie politisch wach.

Heute Abend werden sich viele Hörer in ihren Schilderungen der geteilten Stadt wiederfinden. Auch Episoden von Pariser Schauplätzen fordern zum Vergleich heraus. Und immer wieder wird die Stadt Thema ihrer Bilder. Das kühle Blau verstärkt den distanzierten Blick der Außenseiterin. Für die junge, alleinstehende Mutter ist die Wohnung zunächst ein Schneckenhaus. Dann erschließt sie sich malend die nähere Umgebung, liebt außer dem Kastanienbaum vor dem Fenster bald auch die grauen Häuser mit den gemütlichen Wohnungen. Die Kunstlehrerin, Dozentin und später frei schaffende Künstlerin kann auch zupacken. Sie gehört zu den Mitbegründerinnen des ersten Berliner Frauenhauses, engagiert sich in Bürgerinitiativen, der Schul- und Gewerkschaftspolitik. Verarbeitet Sarah Haffner in diesen Tagen den Albtraum vom Krieg in ihren Bildern? Sie wehrt ab: "Künstlerischer Aktionismus liegt mir fern." Sie könne in einer privilegierten Situation nicht stellvertretend agieren. "Ich fühle mich ratlos, will nicht in Panik verfallen, sondern mich auf die Seite des Lebens stellen."

Eva Stern

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