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Berlin: Leben bei Hofe

Wir haben unsere Leser aufgerufen, uns hinter die Fassade schauen zu lassen: Ansichten von der einstigen Kehrseite Berlins

Von Viola Volland

Brach lagen sie früher da. Sie waren asphaltiert, wurden höchstens als Park- und Müllplätze genutzt. Als Rückzugsort vor der Großstadt wurden die meisten Hinterhöfe von ihren Bewohnern lange Zeit verschmäht. Grillen mit den Nachbarn, in der Hängematte ein gutes Buch lesen, Goldfische im Teich beobachten – das alles fiel der Trostlosigkeit der Orte zum Opfer. Beispiel Knesebeckstraße 88 in Charlottenburg. Bis Ende der 80er Jahre prägte hier eine Blechgarage das Bild. Ganz anders heute: In einem Wasserbecken mitten im Zentrum des Hofs spiegeln sich die gelbe Fassade des hohen Altbaus und das Grün von Kirschlorbeer, Holunder und Rhododendron. Der von Landschaftsplaner Hans-Joachim Kern entworfene Innenhof war 1987 vom Senat mit einer Silbermedaille bei einem Hofverschönerungswettbewerb ausgezeichnet worden. Bis heute hat er nicht an Charme eingebüßt, auch wenn die Sitzecke inzwischen ein wenig lieblos mit Fahrrädern zugestellt ist. Die Verschönerung des Hinterhofs hatte der Eigentümer privat finanziert.

Dagegen konnte Karl-Ernst Forster, Wohnungsbesitzer in der Handjerystraße 85, auch auf Fördermittel des Senats zurückgreifen. „Schäbig zubetoniert“ sei der Friedenauer Hinterhof gewesen, erklärt Forster. Dort, wo es heute in einem Gartenteich plätschert, hätten bis 1988 noch Autos gestanden. Doch die Verschönerung des Innenhofs war für den Ingenieur nur ein Anfang, die Vorstufe zur Erfüllung seines Traums: Projekt Dachterrasse. Mit viel Liebe zum Detail hat sich Forster sein eigenes 100 Quadratmeter großes Reich auf dem Dach geschaffen. „Was von der Stange gefällt mir nicht, da muss immer was draus gemacht werden", erklärt der 55-Jährige. Vom ersten großen Fest 1990 anlässlich der Wiedervereinigung zeugt noch ein altes Mauerstück, auf dem sich die Gäste verewigt haben. Und wenn Familie Forster grillt, dann schauen Lenin und Gorki von der weinbewachsenen Mauer der Terrasse zu. Die Köpfe aus Bronze und Stein hat der Ingenieur in Kellern gefunden.

Auch der Hinterhof im Kurfürstendamm 36 wird von Skulpturen „bewacht“. Zwei italienische Putten sorgen für eine eher nostalgische Atmosphäre. Der Innenhof ist von Architekt Reza Mohtachem in Harmonie zum zugehörigen Jugendstilhaus entwickelt worden. Etwas urwüchsiger geht es beim Architekturbüro Hinrich Baller zu. Der Innenhof der Wohnanlage Pommersche Straße/Wittelsbacherstraße ist ein kleines Biotop in der Großstadt. Durch die Luft surren Libellen, der Wind streicht durch Schilf, Seerosen und Sonnenblumen stehen in voller Blüte. Über ein Drittel des 6011 Quadratmeter großen Grundstücks ist für Garten und Teich reserviert. Dagegen macht sich der Innenhof des Studios 63 in der Auguststraße 63 auf den ersten Blick karg aus. Ein langer Holzsteg, ein Feigenbaum, ein Glashaus: Kunst. Alle vier Wochen gibt es hier Performances wechselnder Künstler und Grillwürstchen.

Um Kunst dreht es sich auch im Innenhof der Residenzstraße 58. Hier hat die Malschule der Galerie Remise ihr Revier. Der ehemalige Droschkenunterstand mit seinem alten Pflaster entführt die Malschüler nicht nur in eine andere Welt, sondern auch in eine andere Zeit. Wer Lust bekommen hat, selbst Hand an seinen Innenhof zu legen, der kann sich von dem Musterhof der Grünen Liga in der Prenzlauer Allee 230 inspirieren lassen. Wild rankt dort das Geißblatt an der Pergola aus alten Wasserrohren entlang. Die Grüne Liga bietet zudem kostenlose Beratung rund um die Hofverschönerung.

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