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Berlin: Leiser oder nicht leiser? Expertenstreit um Tempo 30

ADAC widerspricht neuer Studie und fordert Flüsterasphalt

„Bei Tempo 30 wird es nicht leiser“ – behauptet der Autofahrerclub ADAC. Heftig hat der ADAC jetzt der Forderung des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) widersprochen, Tempo 30 zur Lärmminderung in Berlin einzuführen. Nach Angaben des ADACVerkehrsexperten Jörg Becker bringe eine Reduzierung der Geschwindigkeit von 50 auf 30 km/h lediglich eine Minderung des Geräuschpegels von zwei Dezibel, „und das ist für das menschliche Ohr nicht wahrnehmbar“. Dem wiederum widerspricht der VCD. „Tempo 30 bringt auch beim Lärm was“, sagte Technik-Experte Gerd Lottsiepen, und zwar drei Dezibel, das sei deutlich wahrnehmbar. Und zudem habe das Tempolimit 30 km/h beim Abgasausstoß und bei der Verkehrssicherheit Vorteile. Lottsiepens bestes Argument: „Tempo 30 kostet nichts.“ Die Forderung des ADAC, lärmarmen Asphalt in Berlin einzusetzen, sei angesichts der Haushaltslage völlig irreal. Bekanntlich haben die meisten Bezirke nicht einmal mehr Geld, um Schlaglöcher zu flicken. Woher das Geld für flächendeckenden Flüsterasphalt kommen soll, verrät der ADAC nicht.

„Natürlich ist Tempo 30 beim Lärm nicht das allein selig machende Mittel“, heißt es bei dem ökologisch ausgerichteten Verkehrsclub VCD. Wichtig seien auch nächtliche Fahrverbote für Lastwagen, leisere Autos und leisere Reifen.

Der Tüv betont, dass die Autofahrer mitspielen müssen, damit Tempo 30 was bringt. Denn derzeit sind Autos geräuschtechnisch optimiert bei Tempo 50. Und nach Angaben des Tüv-Sachverständigen Martin Mönck neigen viele Fahrer dazu, bei Tempo 30 in den zweiten Gang zu schalten, „und dann ist nichts gewonnen“. Die heutigen Motoren verkraften Tempo 30 ohne weiteres im dritten Gang, sagt Mönck. „Doch viele Autofahrer lernen das nicht“, sagt der Tüv-Experte.

Gemessen wird die Geräuschentwicklung bei der Tüv-Untersuchung nicht. Nur wenn das Fahrzeug deutlich lauter klinge als normal, werde genauer hingeschaut. Meist seien dann Rostlöcher im Auspuff verantwortlich, nur selten auf eigene Faust umgebaute oder frisierte Fahrzeuge. Zudem sei das EU-Recht recht großzügig, sagt der Berliner Tüv-Prüfer. So sei es erlaubt, einen Ersatzauspuff vom Discounthändler anzuschrauben, so lange der Pkw unter 75 Dezibel bleibe. „Die fallen auf, weil der Motor beim Ampelstopp so vor sich hinbrubbelt“, sagte der Experte. So gebe es Billig-Schalldämpfer für zehn Euro, „wie die für den Preis hergestellt werden können, ist mir schleierhaft“, sagt Mönck. So dürfe ein VW-Polo, zum Beispiel, der ab Werk leise 71 Dezibel fahre, nachträglich auf 75 Dezibel kommen – nach EU-Recht aber legal. Unter dem alten deutschen Recht galt die Regel: „Ein leise geborenes Auto darf nicht lauter werden.“

Vier Dezibel Unterschied – das klingt nicht dramatisch, ist es aber: Jedes Dezibel mehr mache so viel Lärm wie ein zusätzliches Auto des gleichen Modells, sagt Mönck und widerspricht damit dem ADAC. Akustiker sagen, dass zehn Dezibel mehr eine Verdoppelung der Lautstärke bedeuten. Derzeit gilt für Pkw der Grenzwert 75 Dezibel – vor 15 Jahren waren es noch 80. Autos sind in den letzten Jahren durch Dämmungen leiser geworden. Für Busse und Motorräder gilt 80 Dezibel. Einig sind sich die Experten nur in einem: Lärm wird sehr subjektiv empfunden. Den einen stören vor allem die Raser, die mit kreischenden Motor beschleunigen, andere ärgern sich über nächtliches Motorlaufenlassen in Wohnstraßen. Ha

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