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Berlin: Liebe kann so wehtun

Ludwig Kramers Krimi zeigt, wie gefährlich die Stadt für Ehebrecher ist

Ehebrecher, die Krimis lesen, werden dieses Buch so schnell nicht vergessen: Durch Enthauptung enden die Affären einiger sehr männlicher Berliner im besten Alter. Nichts verbindet sie – außer dass sie moralisch gefehlt haben. Mit dem Ergebnis, dass ihre Köpfe, fachmännisch vom Rumpf getrennt, der Mordkommission zugestellt werden. Ein Terminator waltet seines Amtes. Er schreibt „Untersuchungsmaterial“ auf die Verpackung eines Opferkopfes und liefert von sich aus den Beweis dafür, dass abermals ein verschwundener fremdgehender Ehemann niedergemacht worden ist.

Faszinierend, spannend, rund ist dieser Erstling des Berliner Autors Ludwig Kramer weniger deshalb, weil er einen Serienmörder nach Berlin holt, der die Moral der Metropole einzelfallweise repariert. Es ist ein moderner, zeitgemäßer Krimi: mit Tempo, kurzen Abschnitten, Gefühl für die neuen Orte mit den neuen Stimmungen in Berlin – aber noch mehr Gefühl für und Kenntnis von den Tiefenschichten der Stadt, von den Arme- Leute-Gegenden und von den Berufsgruppen, die das große Geld verdienen, von den Einwanderern, den Rentnern, um die sich keiner kümmert, den allein erziehenden Müttern und den allein lebenden Beamten der Mordkommission, deren Leben nur mit ihrem Beruf zusammengeht, mit nichts und niemand sonst.

Ihre Sprache, ihr Ton machen „Unbeglichene Rechnungen“ zu einem Berlin-Krimi, der sich abhebt von den bräsigen Verbrechergeschichten, die man ansonsten aus der Stadt gewöhnt ist. Ludwig Kramer schreibt in einem schönen, überlegten, nicht auf Hipness oder Coolness zielenden Stil. Er beschreibt seine Polizisten als Helden des Alltags. Es sind Leute, mit denen man vermutlich einen äußerst spannenden Abend sogar mit Berliner Kindl verbringen könnte – hätten sie die Zeit und würden sie ihr notorisches Misstrauen überwinden. Kramer hat das Zuhören und Hingucken bei mindestens einem Mann vom Fach gelernt, aber er hat das noch immer übliche Polizistendeutsch nicht übernommen.

Über seine Ermittler schreibt er gelegentlich Sätze, die den Text plötzlich bremsen und doch erst wirklich stark machen. Da finden Hauptfigur Oswald Blohm und ein Kollege den entscheidenden Hinweis und denken, alles Weitere sei Routine. Kramer schreibt: „Am Anfang des Scheiterns steht der Irrtum. Sie wussten es nur noch nicht.“

Sein Oswald Blohm sieht die Stadt wie einer, der gerade die herben Seiten ihrer Geschichte mag – und die herben Seiten des Berliner Publikums respektiert. Das Ende kommt nach einer gut gebauten Überraschung und erinnert ein wenig an die Moral des Films „Taxi Driver“: sehr großstädtisch, schön gefährlich.

— Ludwig Kramer: Unbeglichene Rechnungen. Dahlemer Verlagsanstalt, Berlin. 264 Seiten, 15 Euro.

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