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Im Einsatz. Teilweise waren mehr als 150 Feuerwehrleute in der Lieberoser Heide im Einsatz.

© Julian Stähle / dpa

Lieberoser Heide in Brandenburg: Wenn die Heide brennt

Auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz ist ein Großfeuer ausgebrochen – schon wieder. Naturschützer vermuten Brandstiftung in der Lieberoser Heide.

Von Sandra Dassler

Wenn Wald und Heide brennen, sind sie immer die Verlierer: Eidechsen und viele Insekten fallen dem Feuer zum Opfer, weil sie nicht so schnell wie die Vögel davonfliegen oder wie Rehe, Füchse, Hasen und Wölfe davonlaufen können. „Ja, auch das hier ansässige Wolfsrudel dürfte das am Donnerstag ausgebrochene Großfeuer in der Lieberoser Heide überlebt haben“, sagt Annemarie Kaiser. Sie arbeitet als Projektleiterin bei der Stiftung Naturlandschaften Brandenburg, die sich für den Erhalt der wertvollen wilden Flora und Fauna auf ehemaligen Truppenübungsplätzen einsetzt.

Auch die Lieberoser Heide wurde lange als Übungsplatz der Roten Armee benutzt, deshalb durften Einheimische sie nicht betreten. Zu DDR-Zeiten wurde dort scharf geschossen, es kam auch schon mal vor, dass Autofahrer auf der B 168 zwischen Peitz und Lieberose anhalten mussten, weil Granaten über ihren Trabant oder Wartburg pfiffen. Heute lagern noch immer Kampfmittel, vor allem aber Munition auf der riesigen Fläche, was das Betreten lebensgefährlich macht. „Das ist im wahrsten Sinne des Wortes vermintes Gebiet“, sagt der Referatsleiter Wald- und Forstwirtschaft im Potsdamer Landwirtschaftsministerium, Carsten Leßner: „Da liegt alles Mögliche, teilweise bis zu drei Meter tief in der Erde: von kleinen Patronen über Panzer- und Phosphorgranaten bis zu 250-Kilo-Bomben.“

Mehr als 150 Feuerwehrleute im Großeinsatz

Vor allem deshalb hatten es die teilweise mehr als 150 Feuerwehrleute bei dem Großeinsatz in der Lieberoser Heide nicht leicht. Sie durften nur von den sicheren Wegen aus die Flammen bekämpfen, und selbst der große Bundeswehrhubschrauber konnte nicht überall zum Löschen eingesetzt werden. „Fliegt er zu hoch, verteilt sich das Wasser irgendwo in der Luft, fliegt er zu tief, kann er durch eine durch die Hitzeentwicklung hoch gehende Granate getroffen werden“, sagt Carsten Leßner. Zum Glück wurde bei den bis Freitagnachmittag anhaltenden Löscharbeiten niemand verletzt. Allerdings hörten die Kameraden immer mal wieder kleinere Explosionen. Gegen 18 Uhr am Freitag waren die Löscharbeiten beendet, die Bilanz: 400 Hektar des Gebiets brannten ab.

Dass das Gelände noch immer nicht von Munition und anderen Kampfstoffen gesäubert wurde, hat nur einen Grund: Es wäre viel zu teuer. Heißt es zumindest bei Land und Bund. Schließlich wurden hier Großraummanöverübungen der Truppen des Warschauer Paktes durchgeführt, angeblich auch mit chemischen Waffen. Außerdem gab es auf dem 28 Kilometer langen und 12 Kilometer breiten Gebiet einen Artillerie-, Panzer-, Raketen- und einen Luft-Boden-Schießplatz. Bevor die Rote Armee 1992 abzog, soll sie zwar einige eher halbherzige Versuche unternommen haben, die Munition zu beseitigen.

Militärische Nutzung hatte auch positive Seite

Doch durch die dabei unternommenen Sprengungen seien die Schäden noch größer geworden, heißt es. Die militärische Nutzung hatte aber auch eine – unbeabsichtigte – gute Seite: In dem abgeschlossenen Gebiet entwickelte sich eine große Artenvielfalt, da etwa vier Fünftel des insgesamt 25 500 Hektar großen Geländes nur selten oder gar nicht militärisch belastet wurden.

So leben hier unter anderem Hunderte Brutvogel-, Schmetterlings- und Hautflüglerarten, von denen mindestens 240 als in ihrem Bestand gefährdet gelten. Hinzu kommen Wolf, Fischotter, Europäischer Laubfrosch und die Östliche Smaragdeidechse, die alle auf der Roten Liste stehen, sowie seltene Pflanzen.

Naturschützer sehen Großbrand zwiegespalten

Mitarbeiter der Stiftung Naturlandschaften, die Teile des ehemaligen Truppenübungsplatzes übernommen hatte, sehen den jüngsten Großbrand deshalb zwiegespalten. Zwar sei es ja gerade ein Ziel ihrer Arbeit, die Natur sich selber zu überlassen, und gelegentliche Brände gehörten zu einem natürlichen Prozess dazu, heißt es. Allerdings nur, wenn sie auch auf natürlichem Weg, beispielsweise durch Blitzschlag, zustande kommen. Daran haben allerdings nicht nur die Mitarbeiter der Stiftung starke Zweifel. Immerhin hat ein Förster, der das Feuer in der Lieberoser Heide entdeckte, mehrere Brandherde zugleich entdeckt.

Außerdem hatte es bereits Ende Mai 2017 einen Großbrand auf dem Gelände gegeben, auch damals lag Brandstiftung als Ursache nahe. Entsprechende Ermittlungen blieben allerdings ohne Ergebnis. „Vielleicht sind die Kollegen von der Polizei diesmal erfolgreicher“, wünscht sich Annemarie Kaiser. Sie wird in den kommenden Tagen das Gelände ablaufen und noch glimmende, kleinere Brandnester kontrollieren – gemeinsam mit ihren Kollegen von der Stiftung und weiteren Aktivisten der Region, die sich für eine Internationale Naturausstellung Lieberoser Heide (Ina) engagieren.

Schon bald könnte die Wiedergeburt der Heide beginnen

Wenn das Feuer nicht wieder aufflammt, kann schon bald die Erholung beziehungsweise Wiedergeburt der Heide beginnen, sagt sie. Womit aus den einstigen Verlierern nun Gewinner werden, denn die Erstbesiedler nach einem Brand sind immer Insekten. Und natürlich auch Eidechsen, die es lieben, sich auf schwarzen Böden in der Sonne zu wärmen.

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