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© Uwe Steinert

Luftbrücken-Jubiläum: Der Pilot und das Blumenmädchen

Er schenkte ihr vor 60 Jahren Schokolade, sie schenkte ihm Blumen. Zum Jubiläum der Berliner Luftbrücke trafen sich beide im Alliiertenmuseum wieder.

Sie hat ihm wieder Blumen geschenkt. 60 Jahre, nachdem Susanne Riedi-Joks barfuß über das Rollfeld des Flughafens Tempelhof lief, um dem Rosinenbomber-Piloten Donald W. Measley einen bunten Strauß zu überreichen, heftet sie ihrem Helden ein paar Röschen ans Revers. Die beiden stehen eng beieinander, die ganze Zeit über, ein alter Herr mit vollem, weißen Haar und eine Dame im rosa Kostüm. Riedi-Joks legt Measley die Hand auf den Arm. „Don war der Liebste“, erinnert sich die gebürtige Charlottenburgerin. Eine „Himmelsgestalt“ sei er gewesen. Measley habe ihr damals nicht nur Süßigkeiten, sondern auch Geld für ein Paar Schuhe gegeben. Doch die Zeiten seien schlecht gewesen, sagt Riedi-Joks ernst, darum habe sie ja am Flughafen betteln müssen. „Es gab einfach keine Schuhe in Berlin!“

In der am Donnerstag eröffneten Ausstellung „Making of … Die Männer und Frauen der Berliner Luftbrücke 1948/49“ im Zehlendorfer Aliiertenmuseum hängt ein Foto, aufgenommen von einem unbekannten Armeefotografen, das Riedi- Joks’ Begegnung mit Measley zeigt. Darauf steht ein kleines, dünnes Mädchen mit blonden Zöpfen vor einem schneidigen Piloten mit Lederjacke und Fliegeruhr. Sie strahlt ihn an, die Blumen im Arm, er sieht ihr direkt ins Gesicht, neben den beiden führt eine Leiter hoch in eine C-54 Skymaster. Kartoffeln hatte das Flugzeug geladen, Kohlen oder Konserven für die blockierte Stadt, Measley weiß das nicht mehr genau, wenn er heute vor dem Foto steht. Große Politik habe er damals ohnehin nicht im Sinn gehabt, er war Pilot, er habe seine Arbeit gemacht.

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Ikone. Das von einem unbekannten Air-Force-Fotografen auf dem Flughafen Tempelhof aufgenommene Bild von Riedi-Joks und Measely ist zu einem Symbol für die Luftbrücke geworden. -

© Repro: Uwe Steinert

Und doch war diese Mission etwas Besonderes. Historisch, als friedlicher Sieg des Westens über die Sowjetunion. Aber auch persönlich. Denn weder das Mädchen noch der damals 25-jährige Pilot haben ihre Begegnung auf dem Rollfeld, damals im Juli 1948, je vergessen. Über ein halbes Jahrhundert lang haben sie einander gesucht, Measley von Kalifornien aus, Riedi-Joks aus dem schweizerischen Luzern, wo sie seit 1954 lebt. Ihre Namen kannten sie nicht, der einzige Anhaltspunkt war das Foto von damals. Eine Zeitungsanzeige und die Vermittlung des als „Candy Bomber“ berühmt gewordenen Luftbrückenveteranen Gail Halvorsen brachte sie schließlich zusammen. Nach 53 Jahren, im Mai 2001, trafen sie sich in Berlin wieder. „Don hat geweint“, erzählt Riedi-Joks. Und er habe ihr Schokolade geschenkt, einfach aus der Hosentasche gezogen, wie damals. Sie gab ihm eine Schweizer Uhr, er trägt sie noch immer.

Die beiden korrespondieren regelmäßig per E-Mail, oder sie telefonieren, ein alter Freund übersetzt. Sie sprechen nicht dieselbe Sprache, aber ihre Verbindung wird halten. So wie das Bild bleiben wird, als Sinnbild für Vertrauen und Dankbarkeit. Zusammen mit 70 anderen Fotos – viele davon bisher unveröffentlicht – ist es noch bis zum 27. September 2009 im Alliiertenmuseum in der Clayallee zu sehen. Die von Bernd von Kostka kuratierte, dreisprachig kommentierte Schau will den weit über 10 000 oft namenlosen Helferinnen und Helfern der Luftbrücke ein Gesicht geben, während sie zugleich die Geschichte der Berlin-Blockade nachzeichnet. Das amerikanische, britische und französische Militär hat hierfür ebenso seine Archive geöffnet wie Privatpersonen. Zu sehen sind Alltagsimpressionen und große Porträts. Ausgewählte Biografien werden genauer beleuchtet: ein Pilot der ersten Stunde, ein deutscher Mechaniker, der Chef der Luftbrücken-Zeitung „Task Force Times“ – die damals das Foto des Piloten mit dem Blumenmädchen auf einer ganzen Seite druckte.

Am Ende des Eröffnungsabends gehen die beiden, begleitet von ihren Familien, zum Bus Richtung Hotel. Riedi-Joks fasst Measley am Arm, halb stützt sie ihn, halb hält sie sich an ihm fest. „Er ist mein Vater“, sagt die 70-Jährige und lächelt.

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