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Madame Tussauds: Ex-Polizist muss für Anschlag auf Wachs-Hitler zahlen

UPDATE Bei der Eröffnung des Berliner Wachsfigurenkabinetts Madame Tussauds riss ein 42-Jähriger der Figur des Diktators den Kopf ab. Dafür erhielt er jetzt eine Geldstrafe - und erklärte seine Motive.

Nach der Attacke auf die Wachsfigur von Adolf Hitler muss der Täter 900 Euro Geldstrafe zahlen. Der frühere Polizist hatte vor einem Berliner Amtsgericht erklärt, er habe gegen das kommerzielle Interesse der Ausstellung Madame Tussauds protestieren wollen. Hitler am Ort des Naziterrors dämonisch und voller Energie darzustellen sei völlig unangemessen. Bei dem Angriff Anfang Juli 2008 hatte der Angeklagte der Figur den Kopf abgerissen und einen Wachmann leicht an der Hand verletzt. Der heute arbeitslose Mann wurde wegen Körperverletzung verurteilt. 

Eine lange Nacht lag hinter Frank L., als er auf die Eröffnung der Berliner Filiale des Wachsfigurenkabinetts wartete. Erst die Debatten in seiner Stammkneipe, dann war er Unter den Linden auf- und abmarschiert. Er hatte keinen Plan, war aber fest entschlossen. „Ich wollte die Figur irgendwie zerstören“, sagte er später. Frank L. schaffte es an jenem Julimorgen in die Schlagzeilen. Er brachte die Wachsfigur von Adolf Hitler zu Boden, köpfte sie.

Frank L. war der zweite Besucher des Wachsfigurenkabinetts

Im Prozess ging es um Sachbeschädigung und Körperverletzung. Einen Sachschaden von 6325 Euro soll der frühere Polizist Frank L. verursacht haben. Und zwei Wachleute hatten im Gerangel mit dem „Attentäter“ leichte Blessuren davongetragen. Die Justiz reagierte zunächst mit einem Strafbefehl gegen den Mann aus Kreuzberg, der bislang lediglich als Schwarzfahrer aufgefallen war. Eine Geldstrafe von 1800 Euro sollte er zahlen. Der 42-Jährige aber legte Einspruch ein und erzwang damit einen Prozess.

Frank L. war am 5. Juli vergangenen Jahres der zweite Besucher in der Warteschlange. Er zahlte Eintritt und schlenderte dann an Otto von Bismarck und Karl Marx vorbei. Zielstrebig ging er zum Schreibtisch, an dem die sitzende Adolf-Hitler-Nachbildung düster vor sich hin brütete. Mit einem Satz sprang Frank L. über den Schreibtisch, packte und zerstörte die Figur. Mit so etwas hatten die dort postierten Wachleute nicht gerechnet. L. wurde wenig später von Polizisten abgeführt, die Ausstellung für etwa 20 Minuten geschlossen und der kopflose Wachs-Hitler zurück ins Depot gebracht.

Jetzt sitzt die Figur hinter Glas

Dass der NS-Diktator die Eröffnung nicht überlebte, war aber keine gezielte politische Aktion. Es war vielmehr die Folge einer Wette in seiner Stammkneipe. Beim Kickern im „Schlawinchen“ in der Schönleinstraße hatten sich L. und seine Kumpels mächtig darüber aufgeregt, dass auch Hitler ausgestellt werden sollte. Man müsse etwas tun, fanden sie. „Wer traut sich?“ rief einer aus der Runde. L. meldete sich. „Du traust dich sowieso nicht“, höhnten die Freunde. Da zog er los, um seinen Mut zu beweisen.

Eigentlich sei er ein „relativ unpolitischer Mensch“, schätzte sich „Alt-Punk“ Frank L. später selbst ein. Er war erst Polizist geworden, doch der Job gefiel ihm nicht. Vor vier Jahren ließ er sich zum Altenpfleger umschulen und arbeitet seitdem in einem Pflegeheim. Nach seiner Aktion gab es erneut heftige Diskussionen um die Aufstellung der Hitler-Figur. Die Aussteller hielten daran fest. Zwei Monate später saß die 200 000 Euro teure Puppe wieder am Schreibtisch – allerdings hinter Glas. Frank L. hat stets zu seiner Tat gestanden. Nur Geld habe er keins. Er sei ein „armer Schlucker“. (mit ddp)

Kerstin Gehrke

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