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Berlin: Marlenes kleine Geheimnisse

Wen die Dietrich in Berlin anrufen wollte: Ein Buch enthüllt das Adressenverzeichnis der Diva

Willy Brandt war drin, auch der Komponist Willi Kollo, die Knef, der Kritiker Friedrich Luft, der Autor Erich Maria Remarque, mit dem sie eine Affäre hatte. Ingmar Bergmann fehlte ebenso wenig wie Charlie Chaplin, Orson Welles oder Roberto Rossellini. Sie und viele andere waren in den Adressbüchern der Diva verzeichnet. In kompakter Buchform, ergänzt mit Fotos, Briefen und Biographischem wurden sie gestern vorgestellt. Stilsicher, wie es sich gehört, in der Marlene-Bar des Interconti. Es ging um die kleinen Geheimnisse von Marlene Dietrich.

Vergilbt sehen die Ausschnitte aus, braungefärbt, meist mit roter Tinte in Großbuchstaben geschrieben. „Willy Brandt, Regierender Burgermeister, Rathaus. J. F. Kennedy Platz, Berlin 62“ hat sie vermerkt, ohne Telefonnummer. Die beiden mochten sich, wie sie fast alle schätzte, die im Adressbuch Platz fanden, etwa den Schauspieler Hubert von Meyerinck, den sie als „Myrinck, Hupsi“ mit Münchner Adresse festhielt. Die Knef, Hilde, wechselte mehrmals die Anschrift, Marlene musste in ihrem Buch immer wieder zum Rotstift greifen. Rot waren auch ihre kleinen Adressbücher, die sich im Nachlass fanden, und die sie von den fünfziger Jahren bis zu ihrem Tod 1992 führte. In einem eigenwilligen, schwer durchschaubaren System. Auf den ersten Blick sind die Eintragungen chaotisch, haben nichts mit alphabetischer Reihenfolge zu tun. Sie waren selbst der wohlwollenden Herausgeberin Christine Fischer-Defoy zunächst „nicht logisch zu erklären“ . Wollte Marlene Dietrich Namen in der Schweiz anrufen, sah sie unter A nach, Berlin wurde unter D geführt, Amsterdam unter K und Diverses unter Z. Die Schweiz war ganz vorn, weil sie gern dorthin reiste, die Enkelkinder dort das Internat besuchten.

Acht Adressbücher insgesamt sichtete Christine Fischer-Defoy, Bücher, die zuweilen nur Adressen in New York, London oder Paris enthielten. Die Berliner Anschriften und Telefonnummern, aufgeführt seit etwa 1960, waren in ihrem „Welt-Adressbuch“ verzeichnet. Etwa die von Arno Fischer, dem DDR-Fotografen, oder die von Grete Freund, der Schauspielerin. Notiert waren auch die Anschriften von Alfred Braun, dem Rundfunkpionier, oder die vom Rias und seines Orchesterleiters Rüdiger Piesker. Auch die Nummern des Hilton-Hotels oder des Europa-Centers wollte Marlene Dietrich in Erinnerung behalten, für spätere Besuche. . .

Marlene-Dietrich-Adressbuch, Transit-Verlag, 320 Seiten, 98 Fotos, 24,80 Euro

Christian van Lessen

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