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Berlin: Marmorhaus: Vom Premierenkino zum Millionengrab

Die Tage sind gezählt. Das Marmorhaus, eines der traditionsreichsten Kinos der Stadt, wird geschlossen.

Die Tage sind gezählt. Das Marmorhaus, eines der traditionsreichsten Kinos der Stadt, wird geschlossen. Bereits am 24. Januar soll die letzte Vorstellung laufen. Das Haus ist verkauft, die Zukunft ungewiss. Allerdings steht das Gebäude unter Denkmalschutz. Jeder Umbau muss mit den Behörden abgesprochen und en detail genehmigt werden. Möglich wäre, dass die Kinovergangenheit des Hauses erkennbar bleibt, in den Sälen dann aber Kleidung verkauft wird.

Das Ende des Marmorhauses kommt nicht überraschend. Seit Jahren ist das Kino defizitär. Kamen zu Beginn der 90er Jahre noch bis zu 600 000 Besucher jährlich, sind die Betreiber heute froh, wenn 200 000 Eintrittskarten pro Jahr verkauft werden. Der Grund sind die Multiplexkinos, die seit einigen Jahren den Markt in Berlin beherrschen, insbesondere im Segment der so genannten Blockbuster, der Kassenschlager also, die auch im Marmorhaus auf dem Programm stehen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Kinokette Ufa das Theater 1997 noch aufwendig umbauen ließ. Über vier Millionen Mark kostete die Sanierung, eine Summe, die das Kino mit seinen vier Leinwänden nicht mehr einspielen konnte. Jetzt ist das Marmorhaus ein Millionengrab.

Mit dem Marmorhaus verschwindet ein weiteres Kino aus der einst glitzernden Meile rund um den Kurfürstendamm. Nach dem Gloria (in dem heute Bennetton-Kleidung verkauft wird), der Filmbühne Wien (deren Säle brach liegen) und den kleinen Kinos Olympia, KuLi, Lupe 1 und Lupe 2 gibt es auch für das Marmorhaus keine Zukunft als Kino mehr. Für die verbleibenden Häuser (Zoo-Palast, Royal, Filmpalast Berlin, Astor, Cinema Paris, Filmkunst 66, Kurbel und Hollywood) sehen Branchenkenner zwar auch keine rosigen Zeiten voraus, eine weitere Schließung steht derzeit jedoch nicht an. Die Kinogäste von einst gehen heute in die Multiplex-Theater am Potsdamer Platz oder anderswo. Nur Kinos, die sich auf Spartenprogramme spezialisiert haben (Filme in Originalversion, Kunstfilme) können dem Druck durch die Riesenkinos trotzen.

Schwer wiegend ist das Ende des Marmorhauses vor allem für die Belegschaft. 20 Arbeitsplätze gehen verloren. Tragisch ist, dass sie auf den Umbau von 1997 große Hoffnungen setzten. Aber die Zuschauer, die ins Multiplex gewechselt waren, kamen nicht zurück. Für den Sprecher der Kinokette Cinemaxx, Thomas Schulz, ist das nicht verwunderlich: "Man kann Traditionskinos umbauen, sie auf den neuesten technischen Stand bringen, wie das auch mit dem Marmorhaus passierte, aber trotzdem erreicht man nicht den gleichen Komfort, wie im neuen Multiplex-Kino." Die Cinemaxx AG hat seit gut einem Jahr auch die Geschäfte im Marmohaus geführt. Dies geschah im Zuge des so genannten Geschäftsbesorgungsvertrages, den die Ufa mit Cinemaxx abgeschlossen hatte. Das bedeutete: De iure existiert die Firma weiter, de facto hat Cinemaxx die einstige Konkurrentin Ufa geschluckt. Die Immobilie gehörte bislang dem einstigen Vorstandsvorsitzenden der Ufa, Volker Riech. Über den neuen Eigentümer ist noch nichts bekannt.

Das Marmorhaus ist eines der ältesten Kinos der Stadt. Nach den Plänen von Scheibner und Eisenberg entstand das Haus als Premierentheater unter der künstlerischen Bauleitung von Hugó Pál. 1913 liefen die ersten Filme, seither ist das Haus mehrmals umgebaut worden. 1974 wurden Schachtelkinos eingerichtet, die 1997 wieder verschwanden.

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