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Berlin: Mehr Sträucher, weniger Hecken

Wie wird der Tiergarten widerstandsfähiger? Grün-Schäden von 350 000 Euro

Die heißen Tage geben auch dem Tiergarten einen Dämpfer. Die Hitze lässt ihm kaum Zeit, sich von den letzten Wochen und Tagen zu erholen. Die Schäden bleiben vielen Spaziergängern mitten im Park zwar weitgehend verborgen, die Experten aber schauen bedrückt auf die Randzonen der Grünfläche, rechnen und denken über die Konsequenzen nach.

Etwa darüber, ob sich nach den Erfahrungen von Fußball-Fanmeile, Loveparade und Christopher-Street-Day noch neue Hecken an der Straße des 17. Juni lohnen. Hans-Gottfried Walter hat seine Zweifel. „Das bringt doch nichts“, sagt der Leiter der Grünunterhaltung des Bezirksamts Mitte. Es sei besser, große widerstandsfähigere Sträucher anzupflanzen. Er kann sich auch vorstellen, etliche größere neue Trampelpfade nicht mühselig aufzuforsten, sondern gleich offen zu halten. Darüber müsste aber mit dem Landesdenkmalamt geredet werden.

Was auch immer neu gepflanzt oder gelassen wird: Der Tiergarten, so trocken er ist, hat zumindest wieder mehr Ruhe. „Hoffentlich erholt er sich“, sagt Walter. Bei aller Skepsis ist er noch froh. „Es ist schon heftig mit den Schäden, hätte aber schlimmer kommen können.“ Seine Verwaltung, die vor und nach der Fanmeile das Grün an der Straße filmte, um später vergleichen zu können, hat inzwischen alle Zerstörungen ermittelt: Die niedergetretenen Sträucher und Wegesgitter, die gefledderten Büsche und gerupften Hecken. Die Kosten für die Reinigung des Parks sind mit 400 000 Euro abgehakt. Die Wiederaufforstung von Randbereichen erfordert aber nach Schätzungen des Bezirks weitere rund 350 000 Euro, allerdings müssen die Arbeiten noch ausgeschrieben werden. Das Geld erwartet das Bezirksamt von Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD), dessen Sprecher Matthias Kolbeck mitteilt, dass man „noch keine Zahlen“ hat. So ist auch noch unklar, wann die Aufforstung beginnt, vermutlich erst im Herbst. Ursprüngliche Befürchtungen gingen von 1,8 Millionen Euro aus, aber da waren auch erwartete Schäden in anderen Grünanlagen während der WM eingerechnet.

An der Straße des 17. Juni sind durch die Fanmeile viele Schneisen ins Buschwerk geschlagen worden. Welche Folgen die Millionen Liter Urin trotz der fast täglichen Bewässerung auf Dauer anrichten, ist dem Amt noch unklar. Anpflanzungen sind schwierig, weil jungen Pflanzen durch die hohen Bäume das Licht fehlt.

Auch die seit der vorletzten Loveparade am Großen Stern mit großer Mühe hochgezogenen Hecken sind „jetzt wieder zerlatscht worden.“ Walter ist sicher, dass durch das Einzäunen des Parks und die Kontrollen während der WM-Meile viele Zerstörungen verhindert wurden.

„Was wir jetzt pflanzen, ist in zwei Jahren angewachsen“, sagt der Leiter der Grünunterhaltung. Darüber kann er sich allerdings nicht so recht freuen. Denn in zwei Jahren steht die Fußball-Europameisterschaft vor der Tür, und auch sie wird vermutlich eine Fanmeile haben. Man müsse wegen der Großbildleinwände überhaupt damit rechnen, alle zwei Jahre Veranstaltungen dieser Art im Tiergarten zu haben. „Eine Senatsentscheidung“, sagt Walter. Gar nichts Neues mehr zu pflanzen, käme für ihn nicht in Frage. „Grün ist Leben.“

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) meint, dass dem Tiergarten zu viel zugemutet wird. Die Loveparade setze ihm am meisten zu, der Marathon am wenigsten, sagt Sprecher Martin Schlegel. Der Park habe in den vergangenen Wochen nicht nur mit der Vegetation gelitten, auch die Erholung der Menschen sei eingeschränkt worden. Es dürfe nicht nur um Jubel, Trubel, Heiterkeit gehen. „Wir freuen uns über jede Großveranstaltung, die nicht im Tiergarten stattfindet.“ Und die Straße des 17. Juni müsste an den Wochenenden von Ostern bis Anfang Oktober für Kraftfahrzeuge gesperrt sein.

Christian van Lessen

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