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Meine Woche (63): Genug

Der Syrer Ahmad Al-Dali, 26,ist seit Mai 2015 in Berlin. Hier erzählt er, wie ihm die Stadt begegnet.

Ahmad, wie geht es Ihnen? Hoffentlich waren Sie nicht am Breitscheidplatz, als der Anschlag passierte.
Nein, ich war zu Hause. Aber meine Sprachschule ist ganz in der Nähe. Es ist schon verstörend, wie dort das Leben weitergeht, obwohl wenige Tage zuvor Menschen gestorben sind.

Wie nehmen Sie die politischen Reaktionen wahr?
Vor dem Kanzleramt fand diese Woche eine Mahnwache der AfD statt, da ging es gegen die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel. Ich finde das furchtbar. Bevor überhaupt der Täter gefasst ist, bevor überhaupt klar ist, was der Hintergrund war, werden schon politische Konsequenzen gefordert. Das entwürdigt auch die Opfer.

Und schürt Ressentiments gegen Flüchtlinge...
Klar! Auch dass Angela Merkel in ihrer Rede gesagt hat, dass es besonders schwer zu ertragen wäre, wenn ein Asylbewerber diese Tat begangen hätte. Warum sagt sie sowas? Damit Leute die Flüchtlinge noch mehr hassen? Der Täter steht doch in erster Linie für sich selbst. Vielleicht steht er auch für radikalen Islamismus. Aber er steht ganz sicher nicht für alle Flüchtlinge.

Fürchten Sie jetzt die Konsequenzen?
Dieser Rassismus gerät völlig außer Kontrolle. Und die Leute werden paranoid. Bei allem, was passiert, werden sie zuerst an einen Anschlag denken.

Werden Sie Weihnachten trotzdem genießen können?
Ich denke schon. Das Leben geht ja weiter, das tut es immer. Wir werden gemütlich bei Tonis Familie feiern, unter dem Weihnachtsbaum, das wird sicher schön.

Welches Wort geben Sie uns diese Woche mit?
Weil es jetzt reicht mit all dem Hass und der Gewalt, ist mein Wort: genug. Das heißt auf Arabisch bekfy.

Die Fragen stellte Maria Fiedler.

Diese Kolumne ist gedruckt in der Tagesspiegel-Samstagsbeilage Mehr Berlin erschienen. Alle Folgen finden Sie unter diesem Link.

Ahmad Al-Dali

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