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Berlin: „Menschen nicht aus ihren Wohnungen vertreiben“

Berlins SPD-Chef Michael Müller fordert Nachbesserungen bei Hartz IV und öffentliche Beschäftigungsprogramme

Hat der Mieterverein Recht? Müssen jetzt tausende Arbeitslose wegen Hartz IV ihre Wohnung aufgeben?

Nein. Ich warne vor einer Mischung aus Unwissenheit und Panikmache. Natürlich werden von der Reform auch Menschen betroffen sein, die zurzeit sehr komfortabel wohnen. Aber für die Bezieher des Arbeitslosengeldes II wird es einen Ermessensspielraum geben, der sozial verantwortlich ausgenutzt werden muss.

Wie groß ist der Spielraum?

Die Ausführungsvorschriften für das „angemessene Wohnen“ lassen leider auf sich warten. Deshalb wird die SPD dafür sorgen, dass hier rasch Klarheit geschaffen wird. Vor allem Alleinerziehende, kinderreiche Familien und ältere, kranke Menschen dürfen nicht aus ihren Wohnungen vertrieben werden. Das werden wir verhindern.

Wann wird Klarheit geschaffen?

In den nächsten Wochen muss die Vorschrift stehen. Obwohl es nicht leicht ist, eine landeseinheitliche Regelung zu finden, denn die Wohnverhältnisse sind in den Bezirken sehr unterschiedlich.

Ein anderes Problem, das die Menschen erregt: Arbeitslose müssen ihre private Altersvorsorge aufbrauchen, bevor ihnen staatliche Leistungen zustehen.

Das ist der sensibelste Punkt bei Hartz IV. Ich gehe aber fest davon aus, dass die Frage der Altersversorgung auf Bundesebene nachgebessert wird. Niemand darf dafür bestraft werden, dass er eine private Vorsorge aufgebaut hat. Man könnte die Freibeträge erhöhen oder anders definieren, was Altersversorgung ist. Die Menschen zu zwingen, ihre angesparte Altersversorgung aufzulösen, ist absurd.

Das ist aber nur ein Appell.

Berlin wird allein nichts ausrichten können. Für eine Änderung der rechtlichen Grundlagen müssen bundesweit Partner gefunden werden. In den Gremien, in denen ich als SPD-Landes- und Fraktionschef sitze, werde ich das Thema ansprechen.

Die Opposition wirft dem Senat vor, die Umsetzung von Hartz IV nicht in den Griff zu bekommen. Wird ab Januar 2005 das neue Arbeitslosengeld korrekt ausgezahlt?

Niemand wird 2005 ohne Geld dastehen. Notfalls muss es in einer Übergangszeit nach dem alten Berechnungssystem ausgezahlt werden. Der Senat, die Bezirke und die Landesagentur für Arbeit sind voll in den Vorbereitungen. Jetzt kommt auch laufend das nötige Personal dazu; sei es aus dem Stellenpool oder von der Telekom.

Wann kommen die Job-Center?

Es wird im Januar 2005 erste Job-Center geben. Ob es dann schon zwölf sind, also in jedem Bezirk eines, werden wir sehen.

Die Kritik der Opposition ist völlig unberechtigt?

Diese Kritik offenbart eine erstaunliche Haltung. CDU und Grüne haben auf Bundesebene ihren Anteil am Hartzkonzept gehabt. Auf Landesebene wird aber so getan, als wären die Arbeitsmarktreformen ein reines SPD-Projekt. Alle Beteiligten müssen jetzt dafür sorgen, dass Hartz IV ein Erfolg wird. Zum Beispiel könnten die CDU-Bezirksbürgermeister bei der Realisierung der Reform Vorreiter spielen. Das kann ich bisher nicht erkennen.

Rolf Seutemann, der die Berlin-Brandenburgische Arbeitsagentur leitet, fordert neue öffentliche Beschäftigungsprogramme für Arbeitslose. Macht das Sinn, ist das Geld dafür da?

Ich sehe das wie Herr Seutemann. Das wichtigste Ziel der Hartz-Reformen ist die Vermittlung in Arbeit. Für Menschen, die aufgrund fehlender Qualifikationen keine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt haben, brauchen wir eine öffentlich geförderte Beschäftigung. Etwa für Ordnungsaufgaben oder als Hilfen bei der Krankenbetreuung. Dafür werden wir in Berlin die nötigen Finanzmittel auch zur Verfügung stellen.

Das Gespräch führte U. Zawatka-Gerlach.

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