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Suizid: Mieteraktivist nahm sich das Leben

Dieter Bernhard engagierte sich gegen drastische Mieterhöhungen. Er nahm sich das Leben. Im Abschiedsbrief sprach er von „sozialer Kälte“.

Sein „Zuhause“ habe er in Gefahr gesehen, darum habe sich Dieter Bernhardt das Leben genommen. So beschreiben es seine Freunde. Bernhardt war zudem schwer krank. Das hinderte ihn aber nicht daran, sich bis kurz vor seinem Tod beim Bündnis sozialmieter.de zu engagieren. Vehement trat er gegen die teils drastischen Mieterhöhungen im sozialen Wohnungsbau ein. In einem Abschiedsbrief sprach er von „sozialer Kälte“ der Politiker und auch mancher Nachbarn, die sich nicht gleichermaßen engagieren wollten wie er. „Er fühlte sich alleingelassen“, sagt Horst Schröder, der gut mit ihm befreundet war.

Sein Freitod erscheint seinen Mitstreitern nun als Konsequenz des vergeblichen Protests. In 28 000 Wohnungen, für die es keine Anschlussförderung gibt, dürfen Vermieter innerhalb von 14 Tagen die volle Kostenmiete verlangen. Die liegt in Berlin zwischen zwölf und 20 Euro. Viele Bewohner sehen sich zum Umzug gezwungen. Bernhardt selbst hatte noch nicht gekündigt, zahlte die rund hundert Euro mehr, eine Mieterhöhung von knapp 30 Prozent, aus der eigenen Tasche. Doch die aussichtslose Rechtslage brachte die Mieter auf.

Die „Angst, irgendwann auf der Straße zu stehen“, habe immer über ihm geschwebt, sagt eine langjährige Freundin, Jutta Rudolph. Eine bezahlbare Wohnung in der Gegend um die Akazienstraße sei schwer zu finden, sagt die 64-Jährige. Bernhardts soziales Umfeld waren das Viertel – und seine Freunde. Angehörige fehlten. Die Rente aufgrund von Berufsunfähigkeit hätte zur Zahlung von weiteren Mieterhöhungen nicht ausgereicht.

Vor dem Verfassungsgericht wollte das Mieterbündnis klagen. Ende April organisierte Bernhardt zusammen mit Mietern aus dem Fanny-Hensel-Kiez eine Demo in seiner Straße, um auf den Missstand aufmerksam zu machen. Aber aller Protest sei wirkungslos geblieben. „Die Politik und auch Wowereit müssen endlich etwas für die Mieter tun“, fordert Rudolph.

Vor Bernhardts Wohnungstür in Schöneberg stehen Blumen, Rosen, Fotos von den Hunden der Freunde, an der Tür hängt ein Bild von ihm. Eine Kerze brennt. Erst mehrere Tage nach seinem Tod fand man ihn in der Wohnung, die Freunde ließen am Wochenende die Tür durch die Polizei aufbrechen, nachdem Bernhardt über mehrere Tage nichts hatte von sich hören lassen.

Bestürzt über den Todesfall ist Nachbarin Brigitte Köpke. Erst seit zwei Jahren wohnen die 77-Jährige und ihr 83-jähriger Partner hier. Sie schätzen die Einkaufsmöglichkeiten in der Umgebung, den Aufzug sowie Bus und U-Bahn in der Nähe. „Wir wollen nicht mehr ausziehen.“ Auch Punesia Zivaljevic ist schockiert. „Ich kann nicht verstehen, warum er das gemacht hat.“ Erst vor kurzem hat er ein Schreiben vom Anwalt des Vermieters bekommen, in dem ihm mit einer rückwirkenden Mieterhöhung ab 2008 gedroht wird. Zivaljevic fürchtet sich vor dieser Aussicht: „Eine 4-Zimmer-Wohnung zu dem Preis werde ich schwer finden.“ den

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