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Heimweh nach dem Kurfürstendamm. Um die Immobilie mit dem "Bristol"-Hotel, dem früheren Kempinski, reißen sich die Interessenten.

© Jürgen Ritter/Imago

Millionenpoker am Berliner Kurfürstendamm: Krimi ums frühere Kempinski geht weiter

Sie gehört zu den besten Lagen Berlins - die Ecke Kurfürstendamm/Fasanenstraße. Um die Immobilie mit dem früheren "Kempi" dreht sich ein Bieter-Krimi.

Aktenzeichen 10 IN 295/18 — keineswegs ungelöst. Vielmehr wurde jetzt unter diesem gerichtlichen Registerzeichen einer der bizarrsten Immobilientransfers der jüngeren Berliner Geschichte abschließend verhandelt. Das Gerangel beim Multimillionendeal um das ehemalige „Kempi“ und heutige „Bristol Berlin“ am Kurfürstendamm hat jedoch möglicherweise auf anderer Bühne ein juristisches Nachspiel. Zwar erklärte das zuständige Amtsgericht Wiesbaden zu Beginn der Woche den Insolvenzplan der inzwischen aufgelösten „Verwaltungsgesellschaft Hotel Bristol Berlin mbH“ für genehmigt. Doch fühlen sich einige am Gesamtverfahren Beteiligte, die es ebenfalls auf die Immobilie abgesehen hatten, benachteiligt. Sie erheben massive Vorwürfe gegen einige Anwälte und drohen mit entsprechenden Klagen, auch auf Schadenersatz in nicht unerheblicher Höhe.

Konkurs am Kursfürstendamm

Tatort Kurfürstendamm — was war geschehen? Wie berichtet, waren Gebäude und Grundstück an der Ecke Kurfürstendamm/Fasanenstraße mit Verbindlichkeiten von rund 60 Millionen Euro belastet, die die Eigentümerin Olga Bock, Frau des 2010 verstorbenen Spekulanten Dieter Bock, nicht bedienen wollte oder konnte. Als gewissermaßen „Weißer Ritter“ tauchte der luxemburgische Gewerbeimmobilieninvestor Aroundtown auf, übernahm die Geschäftsanteile und somit quasi die Schulden der Millionenerbin Bock. Kaum hatte Investor Aroundtown die roten Zahlen in den eigenen Büchern stehen, meldete er für die übernommene Verwaltungsgesellschaft Bristol Konkurs an. Und legte einen Insolvenzplan vor, nach dem alle Gläubiger befriedet werden sollten. Gleichzeitig regte der eingesetzte Insolvenzverwalter Volker Römermann aus Hannover ein Bieterverfahren um das Filetgrundstück in der Berliner City West an. Die Betreibergesellschaft des Hotels ist von dem Verfahren nicht direkt betroffen.

 Irre Summen für die Immobilie

In diesem Bieterverfahren bekundeten nach Aussage von Insidern mehrere Investoren ihr hohes Interesse, indem sie „irre Summen“ für die Immobilie boten, deren Wert auf derzeit 100 Millionen Euro taxiert wird. Das Höchstgebot soll bei 150 Millionen Euro gelegen haben. Nach der Verhandlung vor dem Amtsgericht Wiesbaden (Gerichtsstand der ehemaligen Verwaltungsgesellschaft) sind das Bieterverfahren und somit alle abgegebenen Gebote Makulatur. Ärgerlich für die Interessenten, nicht nur weil ihnen ein besonderes Stück Berlin durch die Finger geglitten ist, sondern auch, weil ihnen durch die Teilnahme am Verfahren erhebliche Kosten entstanden sein dürften, nicht zuletzt in Form von Anwaltshonoraren.

Ein Investor zeigt sich in einer E-Mail an den Rechtsberater von Olga Bock besonders erbost, weil er den Anwalt verdächtigt, mit dem Investor Aroundtown gemeinsame Sache zum Nachteil seiner Mandantin gemacht zu haben, indem er in deren Namen mit Aroundtown ein Abkommen geschlossen habe, wobei Geschäftsanteile an der Verwaltungsgesellschaft Bristol den Luxemburgern quasi in den Schoß gefallen seien. In der Mail an Rechtsanwalt Holger J. Haberbosch von der Kanzlei Haberbosch und Straub in Freiburg im Breisgau schreibt AJ Agar, nach eigener Darstellung Vorstandsmitglied eines größeren US-amerikanischen Private-Equity-Fonds: „Unsere Gruppe hat sich mit hohem Aufwand an dem Bieterverfahren beteiligt und ein attraktives Angebot abgegeben. Diese Transaktion (an Aroundtown, d. Red.) verletzt sowohl die Interessen von Kreditgebern und vor allem die von Frau Bock“, konstatiert Agar in der Mail, die dem Tagesspiegel vorliegt.

Fonds vermutete illegale Zahlungen

Sein Unternehmen müsse annehmen, dass die Vereinbarung von „side payments and kick backs“, also von verdeckten Zahlungen und Rückerstattungen flankiert worden sei. Dieses Vorgehen verzerre nicht nur den Wettbewerb, sondern sei auch in hohem Maß illegal. Rechtsanwalt Haberbosch bekommt schlussendlich den Hinweis aus den USA, dass der Fonds „gegen ihn persönlich wegen Untreue und Betrugs“ vorgehen, zudem Schadenersatzforderungen geltend machen sowie ein Verfahren vor der zuständigen Anwaltskammer auf den Weg bringen werde. Starker Tobak oder nur ein wenig Wild-West-Manier? Anwalt Haberbosch mochte trotz Nachfrage keine Stellungnahme abgeben.

Vorwürfe gegen Rechtsanwalt

Ganz ähnliche Vorwürfe hatte bereits in der vergangenen Woche der Berliner Anwalt Michael Naschke in einem Schreiben an seinen Kollegen Haberbosch erhoben. Naschke vertritt die Interessen eines Investors, der sich ebenfalls an dem Bieterverfahren beteiligt hatte. „Und zwar mit einem sehr guten Gebot“, wie Naschke versichert. Er bezweifelt weiterhin, dass Olga Bock nach dem Richterspruch auf Grund der Abmachung zwischen ihrem Anwalt Haberbosch und dem Investor Aroundtown finanziell so gut dasteht, wie es bei einem Bietverfahren wahrscheinlich gewesen wäre, ohne die Gläubiger zu beschädigen.  

Der Insolvenzplan tritt in Kraft

Juristische Schritte gegen die gerichtliche Absegnung des Insolvenzplans hingegen sind dem Vernehmen nach unwahrscheinlich. Wie Richterin Claudia Dirlenbach von der Pressestelle des Amtsgerichts Wiesbaden auf Anfrage ausführt, komme der von der Schuldnerin Aroundtown vorgelegte Insolvenzplan zum Tragen, da alle Gläubiger bedient werden und niemand Schaden erleide. Eine Beschwerde stehe ohnehin nur dem Insolvenzverwalter zu, „alle anderen Beteiligten sind nicht beschwert, haben also keinen Grund zu Beschwerde“, sagt Dirlenbach. Das bestätigt auch Insolvenzverwalter Römermann: Da die Gläubiger durch den Insolvenzplan befriedet werden, stehe ihnen kein Mitspracherecht zu.

Insolvenzverfahren dienen üblicherweise der gemeinschaftlichen Befriedigung aller Gläubiger in einem geordneten Ablauf unter gerichtlicher Aufsicht. Ein vom Gericht eingesetzter Insolvenzverwalter verwaltet und verwertet das noch vorhandene Vermögen des Schuldners und verteilt nach Abschluss der Verwertung die ihm zur Verfügung stehenden Barmittel anteilig auf alle Insolvenzgläubiger.

Der verhandelte Fall ist insofern besonders, weil der vorhandene Wert von Gebäude und Grundstück im Eigentum der ursprünglichen Schuldnerin Olga Bock die den Gläubigern geschuldete Summe erheblich übersteigt. Auch wenn man unterstellen darf, dass die nun leer ausgehenden Teilnehmer am Bieterverfahren weniger das Wohl und Wehe der ihrer Auffassung nach über den Tisch gezogenen Millionenerbin Olga Bock als vielmehr ihr eigenes Interesse im Auge hatten, fragen sich Beobachter durchaus, warum ein Schuldner 150 Millionen Euro hergibt, um 60 Millionen zu tilgen…

 Und was wird aus dem früheren "Kempi"?

Eine weitere pikante Frage bleibt nun für einige Zeit im Berliner Raum stehen: Was wird mit dem ehemaligen „Kempi“? Branchenkenner gehen davon aus, dass der neue Eigentümer Kasse macht und weiterverkauft. Verbindlichkeiten von 60 Millionen Euro übernommen, dazu geschätzt 5 Millionen Euro Aufwand für „Verschiedenes“, ergibt bei einem möglichen Verkauf der Immobilie für 150 Millionen einen Ertrag, wie er in so kurzer Zeit selbst im Berlin von heute selten „erwirtschaftet“ wird. Investor Aroundtown lässt die Frage zur Zukunft der Immobilie über seine Kommunikationsagentur wie folgt beantworten: „Der Plan von Aroundtown, welcher die Geschäftsstrategie mit all seinen Hotels, einschließlich des Bristols, ist, besteht darin, das Potenzial des Objekts zum Nutzen aller Beteiligten zu beleben und zu heben.“

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