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Berlin: Missbilligungsantrag gegen schludrige Formulierungen

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Die Opposition unterstellt dem Regierenden Bürgermeister Wowereit (SPD) versuchte und der Justizsenatorin Schubert (SPD) massive Einflussnahme auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) und andere in der TempodromAffäre. Das sind schwerwiegende Vorwürfe. Nur sind die Begründungen für den Missbilligungsantrag von FDP und Grünen gegen Klaus Wowereit, den das Parlament ablehnte, und für den Misstrauensantrag gegen Karin Schubert (SPD), der am Montag zur Abstimmung steht, so schludrig formuliert, dass man sich fragt, ob sich die Opposition selbst ernst nimmt.

Der Justizsenatorin sei „das Vertrauen der Berlinerinnen und Berliner zu entziehen“, liest man im CDU-Antrag. Das ist hohles Pathos. Hier geht es nicht um das Vertrauen der Berliner, sondern um das Vertrauen des Parlaments zu der Senatorin. Das Parlament wählt die Senatsmitglieder und kann sie durch Misstrauensvotum zum Rücktritt zwingen. So und nicht anders steht es in der Landesverfassung. Ferner erwähnt die CDU einen Vermerk der Justizverwaltung, „der die verfassungsrechtliche Seite (der Erwägungen der Staatsanwaltschaft) prüfte“. Der Vermerk hat natürlich gar nichts geprüft; er enthält das Prüfergebnis der Justizverwaltung. Es ist eine sprachliche Unsitte, ständig Fakten und Standpunkte mit handelnden Personen zu verwechseln.

Nun zum Missbilligungsantrag gegen Wowereit. FDP und Grüne sagen, Wowereit habe „sich mit der Würde des Amtes vor seinen Parteifreund und gegen die Berliner Justiz gestellt“. Falls er das getan hat, dann jedenfalls nicht mit der Würde seines Amtes, sondern unter Missbrauch seiner Amtsautorität und unter Verletzung der Würde des Amtes. Schließlich wird behauptet, Wowereit habe „die Verantwortung für die allseits versuchte Einflussnahme übernommen“. Das ist wieder verquer formuliert. FDP und Grüne lasten ihm vielmehr die Verantwortung an. Deshalb haben sie ja den Antrag auf eine parlamentarische Rüge gestellt.

Durch die Antragsbegründung geistern „aktuelle Amtsträger“. Gemeint sind wohl Sarrazin, der frühere Senator Peter Strieder und Staatssekretär Volkmar Strauch (alle SPD), gegen die ermittelt wird. Aber was bitte sind aktuelle, also zeitnahe, zeitgemäße oder vordringliche Amtsträger? Vermutlich sind aktive Amtsträger gemeint, im Gegensatz zu gewesenen Amtsträgern wie Strieder.

Die Kette der Beispiele für schiefe, sinnentstellende Sätze ließe sich fortsetzen, von einigen Druckfehlern ganz zu schweigen. Nun sind parlamentarische Anträge Drucksachen, die archiviert werden. Haben sich unsere Abgeordneten schon einmal gefragt, welchen Nonsens sie ihren Nachfolgern hinterlassen?

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