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Berlin: Mit Deutschland-Fahne ins Stelenfeld

Am Holocaust-Mahnmal ist es trotz der nahen WM-Fanmeile bislang friedlich geblieben. Die Geldsorgen drücken mehr

Eigentlich sind begeisterte Fußballfans, die Deutschland-Fahnen schwenken, hier unerwünscht. Doch das lässt sich in diesen Tage nur schwer durchsetzen. Während der WM passen sich die Wachleute dem Schwarz-Rot-Gold-Fieber an. „Da drücken wir schon mal ein Auge zu“, sagt einer der Wachmänner, die während der Weltmeisterschaft zusätzlich das Stelenfeld beaufsichtigen. Schließlich könne man nicht jedem Besucher die Fan-Ausstattung abnehmen.

Die Fanmeile in unmittelbarer Nachbarschaft des Mahnmals hatte im Vorfeld Anlass zu der Sorge gegeben, beschwingte Fußballbegeisterte könnten in ihrer Ausgelassenheit die 2711 Stelen mit einem Bierzelt verwechseln. So wurde für den WM-Zeitraum die Anzahl der Wachleute von den üblichen zwei auf fünf aufgestockt. Wegen der erwarteten Besucher in den Sommermonaten und gerade zur Weltmeisterschaft wurde auch der erst vor Monaten aus Personalmangel eingeführte Ruhetag am Montag ausgesetzt, der unterirdische Ort der Information ist nun wieder täglich geöffnet.

Nach der WM wird ein drängendes Problem der Holocaust-Stiftung wieder akut. Die Sondermaßnahmen zur WM werden von der Bundesregierung bezahlt, doch für den alltäglichen Betrieb ist zu wenig Geld da. Wolfgang Thierse (SPD) ist wegen der chronischen Unterfinanzierung als Vorsitzender der Denkmalstiftung zurückgetreten. Der Jahresetat der Stiftung beträgt 2,1 Millionen Euro, benötigt werden 2,7 Millionen Euro. Die Besucherzahlen sind deutlich höher als angenommen: Statt erwarteter 300 000 kamen im ersten Jahr rund 540 000 Besucher.

Während der WM haben die zusätzliche Wachleute einiges zu tun. Manche Fußballgäste missverstehen das Stelenfeld, sonnen sich, schwenken enthusiastisch ihre Fahnen oder sitzen, begeistert von der Berliner Kulisse, auf den Stelen. An diesem Vormittag steigt ein Mann auf eine Stele, um von dort ein Foto zu machen. „So, nun mach dein Bild, und komm wieder runter“, sagt der Wachmann leise zu sich. Als der Besucher jedoch zögernd auf der Stele ausharrt, ruft der Wächter den Gast freundlich und bestimmt zur Ordnung. Der Gast steigt brav wieder herab. „Wir haben schon einiges zu tun. Ich muss häufig ran, weil ich Englisch kann. Ständig werde ich von meinen Kollegen gerufen.“ Kein Wunder, die Tafeln mit den Verhaltensregeln gibt es nur in deutscher Sprache.

Zusätzlich zum verstärkten Personal hat sich eine weitere Sondermaßnahme während der WM als sinnvoll herausgestellt. So hat ein einfacher, rot-weißer Metallzaun, der das nördliche Ende des Stelenfeldes begrenzt, bereits gute Dienste geleistet: Obwohl er keine unüberwindbare Hürde darstellt, lassen sich die von der Fanmeile wegströmenden Menschen davon am Rand des Stelenfeldes entlang leiten und verteilen sich nicht singenderweise über das Mahnmal.

Eine Nebenwirkung der WM wurde allerdings nicht bedacht. So erklärt der Wachmann: „Wenn Deutschland spielt, ist es hier leer wie nachts um vier.“ Denn die Polizei riegelt das gesamte Gelände weiträumig ab, wenn die Fanmeile sich füllt. Wer just dann das Mahnmal besuchen will, findet sich im Zweifelsfall vor einer Straßensperre der Polizei.

Uwe Neumärker, Geschäftsführer der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, ist trotzdem zufrieden: „Alle unsere Befürchtungen sind nicht eingetroffen, es gab bisher keinerlei Zwischenfälle. Und der Ausnahmezustand ist ja bald wieder vorbei.“

Sarah Burmester

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