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Mitte: Jugendbildung auf Diät

Der Bezirk Mitte muss 26 Millionen Euro einsparen. Die Betroffenen protestieren – persönlich und per Post.

Die Stimme zitterte ein bisschen, aber ihre Worte saßen: „Die Jugendbildung in Mitte gleicht nicht einer molligen Dame, die sie im Fitness-Studio durch Straffung stärken können“, sagte die Studentin Anja Wagner am Donnerstagabend auf der Sitzung des bezirklichen Jugendhilfeausschusses zu Mittes Jugend- und Finanzstadtrat Rainer-Maria Fritsch (Linke). Vielmehr sei dieser Bereich ein „auf Modelmaße getrimmtes Persönchen, dem bei weiteren Kürzungen der Hungertod droht.“

Die Studentin leitet die Theatergruppe im Weinmeisterhaus am Hackeschen Markt – einer Einrichtung, in der Jugendliche sich in ihrer Freizeit künstlerisch ausbilden lassen können und zum Beispiel fotografieren lernen. Zumindest im Moment noch. Denn Mitte muss bis Ende des Jahres 26 Millionen Euro einsparen – davon rund 2,5 Millionen im Jugendbereich. Sonst droht dem Bezirk im kommenden Jahr die Zwangsverwaltung. Jugendstadtrat Fritsch denkt deshalb darüber nach, das Weinmeisterhaus anderweitig zu vermarkten und voraussichtlich zu vermieten. Dadurch könnte der Bezirk rund 175 000 Euro im Jahr einsparen. Das Kursangebot des Weinmeisterhauses soll allerdings anderswo fortgesetzt werden, zum Beispiel in einer Schule im Brunnenviertel. Dagegen wehren sich die Nutzer und Mitarbeiter des Weinmeisterhauses: Weil die Kinder und Jugendlichen, die in diesem Kiez leben, vor Ort einen Bedarf an Bildungsangeboten hätten. Und weil der Hackesche Markt seinen Kiezcharakter nicht vollständig verlieren dürfe.

Gegen die ebenfalls angedachte Streichung von 35 000 Euro für die Freizeitangebote im „Schulgarten Moabit“ haben am Donnerstag auch Eltern, Kinder und Mitarbeiter aus Moabit und Wedding im neuen Stadthaus protestiert. „Unser Angebot ist etwas Besonderes, zu uns kommen Kinder aus bürgerlichen Familien und aus sozial schwächeren Haushalten“, sagte Projektleiter Bernd Brunner dem Tagesspiegel. Gegen die Streichungen setzten sich die Betroffenen auch postalisch zur Wehr. Jugendstadtrat Fritsch hat in den vergangenen Wochen rund 100 Briefe und Dutzende Mails bekommen. Wie er sich die Kürzungen genau vorstellt, will Fritsch im September im Jugendhilfeausschuss erklären – sicher auch dann wieder in Anwesenheit von Betroffenen.

Dass sich der Protest lohnt, hat sich im Bezirk Pankow gezeigt, der seit diesem Jahr zwangsverwaltet wird: Die freien Träger, die dort Ende 2008 gegen die geplanten Streichungen im Jugendbereich protestiert haben, konnten ihre Projekte allesamt in diesem Jahr fortsetzen.rni

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