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Berlin: Mord an Ehepaar: War der Angeklagte im Drogenrausch?

Im Prozess zeigt Oliver A. keine Regung – und erinnert sich kaum

Angeblich sind ihm nur diffuse Bilder geblieben. Wie er durch Gassen irrt. Wie er irgendwie durch das Fenster eines Hauses kriecht. Wie er auf einer Couch zu sich kommt und Wasser sucht. Wie plötzlich eine Person hinter ihm steht. „Ich habe Schreie gehört, ich war in Panik, und da ist die Sache eskaliert“, sagte Oliver A. gestern vor dem Landgericht. Er könne sich erinnern, dass er eine Frau verletzt habe, dass er nur noch aus dem Haus entkommen wollte. „Dann war da eine zweite Person, da ist es nochmal eskaliert.“

Ganz ruhig sprach der wegen Doppelmordes Angeklagte. Unheimlich ruhig. Den Eindruck von Reue hinterließ er nicht. Der 32-jährige Oliver A. soll vor fünf Monaten eine damals 16-Jährige bis ins Elternhaus verfolgt haben. Er stieg in das Einfamilienhaus in Weißensee ein. Er stach am frühen Morgen erst auf die 42-jährige Bärbel R., dann im Schlafzimmer auf ihren Ehemann Günter R. ein. Der 63-jährige Bauunternehmer starb noch am Tatort, Bärbel R. drei Monate später. Als Nebenkläger saßen ihre beiden Kinder, Kinder des Mannes aus erster Ehe, Geschwister der Getöteten und die Mutter von Bärbel R. mit im Gerichtssaal. Eng aneinander gedrängt und mit den Tränen kämpfend.

Oliver A. kann sich angeblich nicht erinnern, warum er ein Fenster aufgeriegelt hat. Einen beabsichtigten Diebstahl schließe er aus, sagte der kahl geschorene und kräftig gebaute Mann. Waren es also sexuelle Motive? Suchte er im Haus die Tochter? Er habe am 10. August letzten Jahres, als er kurz nach sechs Uhr von einer Zechtour kam, zwar eine „Person gesehen“, doch diese habe für ihn „keine Rolle gespielt“. Etwas später meinte er: „Nicht, dass ich hier missverstanden werde, ick bestreite nicht, det in diesem Haus wat passiert ist und ick det gewesen bin.“

Oliver A., Sohn einer Deutschen und eines Kongolesen, ist mehrfach vorbestraft. Mit 17 verging er sich an einer Zwölfjährigen. Mit 25 erschlug er einen Zechkumpan. Damals gingen die Richter von einer Tat im Vollrauch aus und verurteilten A. zu viereinhalb Jahren Haft. Nach drei Jahren im Maßregelvollzug und einer Therapie wegen seiner Alkoholprobleme kam er frei. Der Rest der Strafe war bis 2004 zur Bewährung ausgesetzt worden.

Im jetzigen Prozess berief er sich wieder auf viel Alkohol und Drogen. Knapp fünf Liter Bier will er in der Nacht getrunken und außerdem „Speed gezogen“ haben. Ein Gutachter soll festgestellt haben, dass es keine Anhaltspunkte für eine verminderte Schuldfähigkeit von A. aufgrund seines angeblich „fast regelmäßigen“ Drogenkonsums gebe.

Die Tochter, die nach einer Feier gegen 6.45 Uhr ins Bett ging, hatte noch eine Gestalt vor ihrem Fenster wahrgenommen. Sie dachte, es sei die Mutter. Dann sah sie Bärbel R. im Garten. Voller Blut. Zwei Wochen später wurde Oliver A. gefasst.

Kerstin Gehrke

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