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Solidaritäts-Protest mit den Menschen im Iran in Berlin.

© Nassim Rad/Tagesspiegel

„Mörder Chamenei“: Berliner Polizei geht wegen Verleumdung gegen Iran-Demonstranten vor

Das Landeskriminalamt ermittelt gegen iranische Regime-Gegner in Berlin. Die Beamten werteten Rufe auf Demos offenbar als mögliche Straftaten. Aus der Politik kommt Kritik.

Stand:

Demonstranten für einen freien Iran müssen in Berlin mit einer Anzeige der Polizei rechnen, wenn sie das iranische Staatsoberhaupt Ali Chamenei verunglimpfen. Das Landeskriminalamt Berlin ermittelt aktuell gegen iranische Regime-Gegner wegen Verleumdung und übler Nachrede Chameneis. Eine Anzeige liegt dem Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint vor. Am 25. November demonstrierte Nik J. mit anderen vor der Botschaft des Iran. Die Demonstranten brüllten: „Mörder Chamenei“ oder „Tod Chamenei“ – es sind die Rufe der iranischen Revolution.

Die Anzeige gegen J. stellte allerdings nicht das iranische Botschaftspersonal, sondern die Polizei selbst. Das bestätigte die Behörde auf Anfrage: „Bei Versammlungen werden Transparente und Plakate sowie Sprechchöre stets auf eine strafrechtliche Relevanz geprüft“, schreibt eine Polizeisprecherin. „Ziel der Polizei Berlin ist nicht nur der Schutz der Versammlung und ihrer Teilnehmenden, sondern auch die Verhinderung von Straftaten und Störungen.“ Offenbar werteten Beamte vor Ort die Rufe der Demonstranten als mögliche Straftaten.

Die Grünen-Politikerin und Vorsitzende des Innenausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus, Gollaleh Ahmadi, kritisiert die Strafanzeigen der Berliner Polizei. „Wer für Menschenrechte im Iran auf die Straße geht, braucht unsere Unterstützung, keine Verfolgung. Inwiefern überhaupt eine strafrechtliche Relevanz vorliegt, ist mehr als nur fraglich“, sagte Ahmadi dem Tagesspiegel. Ahmadi flüchtete als Kind mit ihren Eltern selbst vor dem Regime.

Wer den iranischen Diktator Ali Chamenei einen Mörder nennt, verdient unsere Solidarität und keine Vorladung zur Polizei“, ergänzt der Grünen-Politiker Ario Mirzaie. Er machte den Fall als einer der Ersten öffentlich.

Tatsächlich wurde Chamenei schon 1997 von einem Berliner Gericht als einer der Hintermänner eines Mordanschlags auf den iranischen Politiker Schapur Bachtiar ausgemacht. Videos der Tötungen durch seine Revolutionsgarden und die iranischen Sittenwächter sieht man täglich.

„Wir wissen, auch hier in Berlin geht das Mullah-Regime gegen Kritiker:innen vor. Meinungs- und Versammlungsfreiheit gehören zu den wichtigsten Säulen einer Demokratie“, sagte Ahmadi. Sie forderte von Berlins Innensenatorin Iris Spranger und Berlins Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey (beide SPD) ein klares Bekenntnis zum Schutz der Meinungsfreiheit. Spranger wollte sich wegen des laufenden Verfahrens auf Tagesspiegel-Anfrage nicht äußern.

In den vergangenen Wochen hatte es mehrere große Demonstrationen für die iranische Revolution in Berlin gegeben. Ende Oktober war einer der größten Demonstrationszüge weltweit mit 80.000 Teilnehmern durch das Berliner Regierungsviertel gezogen. Menschen aus ganz Europa waren gekommen. Wie viele Anzeigen die Polizei insgesamt wegen Verunglimpfung Chameneis gestellt hat, konnte die Behörde nicht beantworten.

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