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Von dem spanischen Künstler Borondo stammt das Wandgemälde auf einem Hochhaus in Tegel-Süd. Anwohner finden es deprimierend.

© dpa

Mural in Berlin-Tegel: Künstler verteidigt umstrittenes Hochhaus-Bild

Anwohner einer Hochhaussiedlung in Tegel-Süd halten ein Fassadengemälde für grausam und deprimierend. Jetzt meldet sich der Künstler zu Wort.

Diese Kunst provoziert: Ein 42 Meter hohes Wandgemälde auf einer Hochhausfassade in Tegel-Süd hat heftige Reaktionen bei den Anwohnern hervorgerufen. Wie berichtet, finden viele das Werk deprimierend und grausam. Zu sehen ist unter anderem ein Mädchen, das möglicherweise blutet, und ein von Pfeilen durchbohrter Mensch in einem Wald.

Es gibt aber auch viele, die das Werk positiv aufnehmen. In den Kommentaren zu unserem Artikel finden sich neben ablehnenden auch viele Stimmen, die das Bild als gelungene künstlerische Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit loben.

Jetzt meldet sich der Künstler Borondo selbst zu Wort. Auf seiner Facebookseite schreibt er:

"Bevor ich mich einer Oberfläche annähere, ist es mir wichtig, die Umgebung zu verstehen, in der mein Kunstwerk platziert wird. Ich versuche, die Energie des Ortes zu erspüren, die Geschichte, die Nachbarschaft und die dortigen Probleme kennenzulernen. Ich arbeite mit dem Raum und den spezifischen Gegebenheiten. In diesem Fall war ich in einer Gegend, in der bald eine Flüchtlingsunterkunft entsteht." (Engl.: "Before approaching a surface it is important for me to try and understand the environment where my artwork will be placed, to feel the energy of the space which is welcoming me, to learn the history, the community and the ongoing problematics.I work with the space and with the specific site I'm in, and in this case I was in an area where the construction for housing complexes for refugees will take place." Das ganze Statement auf Englisch lesen Sie hier)

Wenn er die Anwohner fragen würde, was sie gerne auf einem Gebäude sehen würden, dann gebe es wohl viele, die sich Regenbogen, Katzen, Sonnenuntergänge oder Blumen wünschten. "Aber dann wären die Fassaden eher wie ein Fernsehbildschirm. Es wäre Unterhaltung und nicht Kultur. Das Risiko bei dieser Art zu Denken ist, dass wir in ein paar Jahren den Unterschied zwischen Werbung und Fassadenkunst nicht mehr erkennen." Es sei widersprüchlich, dass sich so viele Menschen über das Mural beklagen, während sich nur wenige über ein riesiges Werbeplakat beschweren würden.

"Ich mache Kunst und keine Dekoration"

"Ich mache Kunst und keine Dekoration", schreibt Borondo. Leider sei das Kunstwerk noch nicht ganz von den Leuten verstanden worden, die dort wohnen. "Ich hoffe wirklich, sie brauchen nur etwas Zeit, um darüber nachzudenken und zu verstehen, dass sie durch seine Botschaft andere Schattierungen des Lebens entdecken können, nicht nur die helle. Und dass sie das Werk dann schätzen lernen."

Obwohl er normalerweise seine Werke nicht interpretiere, würde er in diesem Fall nun einige Hinweise geben. Links sehe man eine Figur, die durch eine Öffnung schaut, rechts sei der Heilige Sebastian abgebildet, inspiriert von Renaissance-Gemälden. Die Wand stehe für eine Trennung und auch für Distanz: draußen ist das Drama, drinnen ein leerer Raum, von dem aus man die Wirklichkeit sieht. "Wir können so tun, als sehen wir diese Wirklichkeit nicht, aber eigentlich sollten wir neugierig darauf sein - so wie das Kind - und versuchen zu verstehen." Der Zwischenraum zwischen den beiden Hälften repräsentiere das heutige Europa. Dort scheinen Kinder sicher zu sein und weit weg von dem, was in Ländern geschieht, die uns eigentlich nah sind. So würden Ängste erzeugt, und man verschließe sich vor Problemen, die die direkte Folge unserer Wirtschaftspolitik seien.

"Es kommt mir oberflächlich vor, dass es eine Kontroverse über eine Wand gibt, auf der angeblich Blut zu sehen ist, nur weil die Farbe Rot vorkommt. Während gleichzeitig so viele Menschen direkt nebenan unter einer brutalen Wirklichkeit leiden müssen. Lasst uns offener und aufmerksamer werden - und hören wir auf, uns das Drama nur auf unseren sicheren Bildschirmen anzuschauen. Willkommen Refugee." Damit endet der Post.

Stadtrat sieht momentan keine Handhabe

Einige Anwohner hatten sich gewünscht, dass das Bild übermalt oder verändert wird. Der Bezirk könne gegen das Bild allerdings wenig tun, meint der Reinickendorfer Baustadtrat Martin Lambert (CDU). "So wie ich das bisher beurteile, verstoßen die Motive nicht gegen das Jugendschutzgesetz." Für Kunstwerke an Hausfassaden müsse der Bezirk keine Genehmigung geben, anders als bei Werbeplakaten. Ohnehin sei es schwierig, Vorgaben für die Gestaltung von Privateigentum zu machen. "Wir hatten mal den Fall, dass sich Anwohner beschwerten, weil Nachbarn ihre Häuser knallrot gestrichen hatten. Die Farbe mache sie aggressiv, sagten die Betroffenen. Aber auch dagegen konnten wir nichts tun", sagt Lambert.

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