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Berlin: Musiklabor und Schreibwerkstatt

Seit 50 Jahren gibt es das Jugendzentrum „Die Weiße Rose“ am Wartburgplatz

Steht man auf der Spielstraße vor dem flachen 60er-Jahre-Bau, sieht das Jugendkulturzentrum „Die Weiße Rose“ fast aus wie ein zu groß geratener Ferienbungalow. Hinter den Glastüren geht der flache Vorbau jedoch in ein helles Foyer über. Eine Treppe führt zu der in den 70er Jahren eingezogenen Galerie, wo die jungen Künstler des Hauses ihre Arbeiten präsentieren. Rechts, an einem der Tische vor der integrierten Bar sitzt Uwe Rath, ein sympathischer Mittvierziger, der seine Lederjacke nur bei hohen Temperaturen auszieht. Er ist seit 20 Jahren Leiter des Kulturzentrums am Wartburgplatz. Beim Rundgang glänzen seine Augen.

Hinter dem Foyer liegt der große Saal. Wie aufgezogene Perlen hängen die Scheinwerfer in drei Reihen über der erweiterbaren Bühne. Spätsommerlicht fällt durch die zehn Meter hohe Fensterfront. Ende der 70er Jahren wurde der Saal mit mehreren Emporen versehen, erzählt Rath. Nun konnte die „Guckkastenbühne“ durch eine Zentralbühne ergänzt werden. „Das Publikum war näher dran,“ sagt Rath. Die Besucher der „Weißen Rose“ sind zumeist Kinder und Jugendliche, die auch einen großen Teil der Aufführungen im Haus selbst produzieren. Neben dem 1987 gegründeten „Theater Strahl“, das hier seit 1999 seinen festen Spielort hat, waren Theaterkurse von Anfang an wichtiger Teil der Kinder- und Jugendarbeit. Uwe Rath erklärt das Prinzip: „Alle unsere Angebote sind ergebnisorientiert. Was die Leute hier lernen, sollen sie auch vorführen.“ Die Schreibwerkstatt veranstaltet Lesungen, Zeichenkurse münden in Ausstellungen. Die Bands, die hier proben, geben regelmäßig Konzerte und beweisen ihr Können in Bandwettbewerben. Herausragende Talente können dann im professionellen „Musiklabor“ ihre eigene CD aufnehmen. Im Allerheiligsten, dem Aufnahmestudio, das 1985 mit Fördermitteln des Senats eingebaut wurde, schwärmt Uwe Rath von der Akustik.

„Wir kümmern uns aber nicht nur um die moderne Musik“, sagt Rath geheimnisvoll, als er einen der Proberäume aufschließt. Der Kasten, der den kleinen Raum fast ausfüllt, sieht aus wie eine Kreuzung aus Keyboard und Harmonium. „Ein Trautonium“, verrät Rath. Der Vorläufer des Synthesizers wurde in den 20er Jahren entwickelt. Mit dem Trautonium wurde früher nicht nur für Rundfunk und Orchester musiziert, es gebar auch Film- und Fernsehgeräusche. Mit Unterstützung des mittlerweile verstorbenen Trautonium-Komponisten Oskar Sala wurde das Instrument in der Weißen Rose nachgebaut. Wolfgang Müller, Musikstudio-Leiter der Weißen Rose, ist einer der wenigen, die sich ernsthaft mit der Spielweise dieses außergewöhnlichen Instruments auseinandersetzen. Eine erste Veröffentlichung auf CD gab es 2002, ein Konzert im Musikinstrumentenmuseum ist in Vorbereitung.

Uwe Rath kann einige berühmte Namen nennen, die mit der Geschichte des Hauses verbunden sind: Inge Aicher-Scholl, die älteste Schwester der Geschwister Scholl, die in der namensgebenden Widerstandsgruppe gegen die Nazis kämpften, war bei der Eröffnung 1956 dabei. Willy Brandt schaute zweimal vorbei, Sänger Gilbert Bécaud hat hier geprobt, genauso wie Showmaster Jürgen von der Lippe, als er noch Musik machte.

Ab 16 Uhr füllen sich die Räume. Drei junge Musiker treten vor dem Tonstudio von einem Bein aufs andere. Sie wollen an ihrer CD weiterarbeiten. Im großen Saal werden Scheinwerfer montiert, während hinter der Bar die Gläser für die Abendvorstellung des Theaters poliert werden. „Wir sind sowas wie ein kultureller Gemischtwarenladen“, sagt Uwe Rath und lächelt.

Lea Streisand

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